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Kollaps

Kollaps

Titel: Kollaps Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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einheimische Mandel Canarium harveyi , die Nüsse tragende Burckella ovata, die Tahiti-Kastanie Inocarpus fagiferus, die pazifische Spezies Barringtonia procera und die tropische Mandel Terminalia catappa. Zu den kleineren Bäumen im mittleren Waldstockwerk gehören die Betelpalme mit ihren betäubungsmittelhaltigen Nüssen, die Cythera-Pflaume Spondias dulcis und der mittelgroße Mamibaum Antiaris toxicara, der gut in die Plantage passt und dessen Rinde anstelle des auf anderen polynesischen Inseln gebräuchlichen Papiermaulbeerbaumes zur Herstellung von Kleidung benutzt wurde. Das Unterholz unter den drei Baumstockwerken ist eigentlich ein üppiger Garten mit Yamswurzeln, Bananen und der Riesen-Sumpftaro Cyrtosperma chamissonis , deren Sorten in ihrer Mehrzahl nur in Sümpfen gedeihen; auf Tikopia kommt jedoch eine Zuchtsorte zum Einsatz, die speziell an die trockeneren Verhältnisse in den gut entwässerten Hanglagen der Plantagen angepasst wurde. Die ganze mehrstöckige Plantage ist im gesamten Pazifikraum einzigartig: Sie ahmt in ihrem Aufbau einen Regenwald nach, nur sind alle ihre Pflanzen essbar, während die meisten Arten des Regenwaldes sich nicht als Nahrung eignen.
    Neben diesen umfangreichen Plantagen gibt es zweierlei kleine Gebiete, die offen und baumlos sind, aber ebenfalls der Lebensmittelproduktion dienen. Das eine ist ein kleiner Süßwassersumpf; hier gedeiht nicht die besondere, an Trockenheit angepasste Form des Riesen-Sumpftaro, die an den Abhängen angebaut wird, sondern die normale Feuchtgebietsform. Und zweitens dienen Felder mit kurzen Brachzeiten der arbeitsintensiven, nahezu ununterbrochenen Produktion von drei Knollenpflanzen: Taro, Yamswurzeln und heute der aus Südamerika eingeführten Maniok, die zum größten Teil an die Stelle der einheimischen Yamswurzel getreten ist. Diese Felder erfordern einen fast ständigen Arbeitsaufwand wie das Jäten von Unkraut, und sie müssen mit Gras und Gestrüpp aufgelockert werden, damit die Nutzpflanzen nicht austrocknen.
    Die Hauptprodukte dieser Plantagen, Sümpfe und Felder sind stärkehaltige pflanzliche Lebensmittel. Haustiere, die größer sind als Hühner oder Hunde, gibt es auf Tikopia nicht. Als Proteinlieferanten nutzen die Bewohner deshalb traditionell in geringem Umfang Enten und Fische aus dem einzigen Brackwassersee der Insel, den Hauptanteil stellten aber Fische und Schalentiere aus dem Meer. Eine nachhaltige Nutzung der Meereslebewesen wurde durch Tabus gesichert, die von den Häuptlingen aufgestellt wurden: Fische zu fangen oder zu essen, war nur mit ihrer Erlaubnis gestattet; diese Regeln verhinderten eine Überfischung.
    Dennoch mussten die Tikopier auf zwei Reservelebensmittel zurückgreifen, um die alljährliche Trockenzeit mit ihrer geringen Pflanzenproduktion und die gelegentlichen Zerstörungen von Plantagen und Feldern durch Wirbelstürme zu überstehen. Erstens wurden überschüssige Brotfrüchte in Gruben vergoren und blieben auf diese Weise als stärkehaltige Paste zwei bis drei Jahre lagerfähig. Und zweitens nutzte man die kleinen verbliebenen Regenwaldreste: Dort wurden Früchte, Nüsse und andere Pflanzenteile geerntet, die als Lebensmittel nicht sonderlich beliebt waren, die Menschen aber im Ernstfall vor dem Hunger bewahren konnten. Als ich 1976 eine andere polynesische Insel namens Rennell besuchte, fragte ich die dortigen Bewohner, welche Früchte von den paar Dutzend Baumarten auf der Insel essbar seien. Darauf erhielt ich drei Antworten: Man erklärte mir, manche Bäume hätten »essbare« Früchte, und die Früchte anderer Bäume seien »ungenießbar«; die Bäume einer dritten Kategorie jedoch hatten Früchte, »die nur zur Zeit der hungi kenge gegessen werden«. Von hungi kenge hatte ich noch nie gehört, also fragte ich nach. Man sagte mir, es sei der Name des größten Wirbelsturmes seit Menschengedenken; er hatte 1910 die Felder auf Rennell zerstört und die Menschen an den Rand des Hungertodes gebracht, und gerettet hatten sie sich nur dadurch, dass sie Früchte aus dem Wald verzehrten, die sie nicht besonders mochten und normalerweise nicht essen würden. Auf Tikopia mit seinen durchschnittlich zwei Wirbelstürmen pro Jahr müssen solche Früchte noch wichtiger gewesen sein als auf Rennell.
    Auf diese Weise sichern sich die Bewohner von Tikopia also eine nachhaltige Nahrungsversorgung. Die zweite Voraussetzung für eine nachhaltige Besiedelung ist eine stabile, nicht mehr wachsende Bevölkerung. Als

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