Kollaps
von Schießpulver. Selbst die Menge dieser Importwaren nahm im Lauf der Zeit ab, weil die einheimische Seiden- und Zuckerproduktion wuchs, während Feuerwaffen nur noch beschränkt erlaubt waren und dann praktisch völlig abgeschafft wurden. Dieser bemerkenswerte Zustand der Selbstversorgung und der selbst auferlegten Isolation blieb bestehen, bis 1853 eine amerikanische Flotte unter dem Commodore Perry eintraf und verlangte, Japan solle seine Häfen öffnen und Brennstoffe sowie Proviant an amerikanische Walfänger und Handelsschiffe liefern. Als sich dann herausstellte, dass die Tokugawa- shoguns ihr Land nicht mehr vor den Barbaren mit ihren Feuerwaffen schützen konnten, brach ihre Herrschaft 1868 zusammen, und nun entwickelte sich Japan bemerkenswert schnell von einer isolierten, semifeudalen Gesellschaft zu einem modernen Staat.
In der Umwelt- und Bevölkerungskrise, die im 17. Jahrhundert durch Frieden und Wohlstand ausbrach, war die Waldzerstörung ein wichtiger Faktor, denn zu jener Zeit schoss der Holzverbrauch (der fast ausschließlich aus einheimischer Produktion befriedigt wurde) in die Höhe. Bis Ende des 19. Jahrhunderts bestanden die meisten Gebäude in Japan aus Holz und nicht wie in vielen anderen Ländern aus Steinen, Backstein, Zement, Lehm oder Fliesen. Diese traditionelle Holzbauweise hatte mit der ästhetischen Vorliebe der Japaner für Holz zu tun, teilweise aber spiegelt sich darin auch die Tatsache wider, dass Bäume in der Frühgeschichte Japans immer leicht verfügbar waren. Mit Frieden und Wohlstand wuchs auch der Holzbedarf der immer zahlreicheren Bevölkerung in Stadt und Land. Vorreiter waren dabei seit ungefähr 1570 Hideyoshi, sein Nachfolger, der shogun Ieyasu, und viele daimyo: Sie schwelgten in Selbstbestätigung und versuchten einander durch den Bau gewaltiger Schlösser und Tempel zu beeindrucken. Allein die drei größten Schlösser, die Ieyasu errichtete, erforderten die Abholzung von rund 25 Quadratkilometern Wald. Unter Hideyoshi, Ieyasu und dem nächsten shogun entstanden ungefähr 200 kleine und große Städte mit Schlössern. Nach Ieyasus Tod wurde für den Städtebau mehr Holz gebraucht als für die Errichtung herrschaftlicher Baudenkmäler, und da die Städte mit ihren strohgedeckten, dicht nebeneinander stehenden, mit Holz beheizten Holzhäusern häufig abbrannten, mussten sie immer wieder aufgebaut werden. Bei dem größten derartigen Brand, dem Feuer von Meireki, wurde 1657 die halbe Hauptstadt Edo zerstört, und 100 000 Menschen kamen ums Leben. Zu einem großen Teil wurde das Holz mit Küstenschiffen zu den Städten transportiert, und da die Schiffe ebenfalls aus Holz gebaut wurden, wuchs der Bedarf noch weiter. Weitere hölzerne Schiffe wurden gebraucht, um Hideyoshis Streitkräfte bei seinem erfolglosen Versuch, Korea zu erobern, über die Straße von Korea zu transportieren.
Der Bedarf an Bauholz war nicht die einzige Triebkraft der Waldzerstörung. Holz diente auch als Brennstoff zur Beheizung der Häuser, zum Kochen und für industrielle Zwecke wie zur Herstellung von Salz, Fliesen und Keramik. Es wurde zu Holzkohle verbrannt, mit der man die noch heißeren Feuer zum Schmelzen von Eisen anheizte. Japans wachsende Bevölkerung brauchte mehr Lebensmittel, und entsprechend wurden mehr Waldgebiete zu landwirtschaftlichen Zwecken gerodet. Die Bauern düngten ihre Felder mit »grünem Dünger« (das heißt mit Blättern, Baumrinde und Zweigen), Ochsen und Pferde wurden mit Buschwerk und Gras gefüttert, das man aus den Wäldern holte. Fünf bis zehn Hektar Wald wurden gebraucht, um den grünen Dünger für einen Hektar Ackerland zu gewinnen. Bis zum Ende der Bürgerkriege im Jahr 1615 holten die verfeindeten Armeen von daimyo und shogun aus den Wäldern das Futter für ihre Pferde sowie den Bambus für Waffen und Befestigungszäune. Und in Waldgebieten lieferten die daimyo ihren jährlichen Tribut an den shogun in Form von Holz ab.
Zwischen 1570 und 1650 erreichten der Bauboom und damit auch die Waldzerstörung ihren Höhepunkt; als dann das Holz knapp wurde, verlangsamte sich beides. Zunächst wurde das Holz auf unmittelbaren Befehl des shogun oder daimyo geschlagen, oder die Bauern fällten es je nach ihrem eigenen Bedarf; um 1660 jedoch ging die Holzgewinnung von staatlichen Stellen an Privatunternehmen über. Als beispielsweise in Edo wieder ainmal ein Brand ausbrach, erkannte einer der berühmtesten privaten Holzunternehmer, der Kaufmann Kinokuniya
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