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Kollaps

Kollaps

Titel: Kollaps Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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geprägte Wirtschaft, eine Gesellschaft mit starker Schichtenstruktur und einer reichen, mächtigen Elite an der Spitze. Initiativen, die von oben nach unten verlaufen, spielen hier für die Lösung von Umweltproblemen eine große Rolle. Es handelt sich um lapan vor 1868.
    Japans lange Geschichte einer wissenschaftlich begründeten Waldbewirtschaftung ist in Europa und Amerika kaum bekannt. Die professionellen Forstexperten sind vielmehr der Ansicht, die heute allgemein verbreiteten Methoden der Waldbewirtschaftung hätten sich ursprünglich in den deutschen Fürstentümern des 16. Jahrhunderts entwickelt und sich von dort im 18. und 19. Jahrhundert auf große Teile des übrigen Europas verbreitet. Deshalb ist die Waldfläche in Europa, die seit den Anfängen der Landwirtschaft vor 9000 Jahren stetig abgenommen hatte, ungefähr seit 1800 wieder gewachsen. Als ich 1959 zum ersten Mal in Deutschland war, stellte ich zu meinem Erstaunen fest, dass fast das ganze Land von ordentlich bewirtschafteten Wäldern bedeckt war - zuvor hatte ich mir Deutschland als industrialisiertes, bevölkerungsreiches, urbanes Land vorgestellt.
    In Wirklichkeit entwickelte sich aber in Japan unabhängig von Deutschland zur gleichen Zeit eine ähnliche, von oben nach unten organisierte Waldbewirtschaftung. Auch das ist eine Überraschung, denn Japan ist wie Deutschland industrialisiert, bevölkerungsreich und urban. Es hat mit fast 400 Menschen je Quadratkilometer seiner Gesamtfläche oder knapp 2000 Menschen je Quadratkilometer landwirtschaftlicher Nutzfläche die höchste Bevölkerungsdichte aller großen Industrieländer. Dennoch handelt es sich bei 80 Prozent der Fläche Japans um dünn besiedelte, bewaldete Gebirgsregionen, während sich die meisten Menschen und der größte Teil der Landwirtschaft in den Ebenen zusammendrängen, die nur ein Fünftel des Staatsgebietes ausmachen. Die Wälder werden so gut geschützt und bewirtschaftet, dass ihre Fläche immer noch zunimmt, obwohl sie als Quelle für wertvolles Holz genutzt werden. Wegen dieser Wälder bezeichnen die Japaner ihren Inselstaat häufig als »grünen Archipel«. Auf den ersten Blick ähnelt die grüne Decke zwar einem urtümlichen Wald, in Wirklichkeit wurden aber die meisten ursprünglichen Wälder in Japan bereits vor über 300 Jahren abgeholzt, und an ihre Stelle traten aufgeforstete Flächen und Plantagen, die ebenso streng und in kleinem Maßstab bewirtschaftet werden wie in Deutschland und auf Tikopia.
    Die japanischen Forstmethoden entwickelten sich als Reaktion auf eine Umwelt- und Bevölkerungskrise, die paradoxerweise durch Frieden und Wohlstand entstand. Nach 1467 wurde Japan fast 150 Jahre lang von Bürgerkriegen heimgesucht: Die herrschende Koalition mächtiger Familien, die nach einem früheren Verfall der kaiserlichen Macht entstanden war, brach zusammen, und die Macht ging an ein Dutzend selbständige Kriegsherren ( daimyo ) über, die gegeneinander kämpften. Der Krieg endete schließlich mit dem Sieg eines Herrschers namens Toyotomi Hideyoshi und seines Nachfolgers Tokugawa Ieyasu. Im Jahr 1615 stürmte Ieyasu die Festung der Familie Toyotomi in Osaka, und die verbliebenen Toyotomis begingen Selbstmord; damit war der Krieg zu Ende.
    Schon 1603 hatte der Kaiser an Ieyasu den erblichen Titel eines shogun verliehen, des Führers eines Kriegerstandes. Von da an übte der shogun , der in seiner Hauptstadt Edo (dem heutigen Tokio) ansässig war, die eigentliche Macht aus, und der Kaiser in der alten Hauptstadt Kyoto war nur noch eine Galionsfigur. Ein Viertel der Fläche Japans wurde unmittelbar vom shogun verwaltet, die restlichen drei Viertel unterstanden den 250 daimyo , die vom shogun mit harter Hand beherrscht wurden. Militärische Gewalt wurde zu einem Monopol des shogun. Die daimyo konnten sich gegenseitig nicht mehr bekämpfen, und sogar zum Heiraten, zum Umbau ihrer Schlösser oder wenn sie ihr Eigentum an einen Sohn vererben wollten, brauchten sie die Genehmigung des shogun. Die Zeit von 1603 bis 1867 wird in Japan als Tokugawa-Zeit bezeichnet, weil eine Reihe von Tokugawashoguns das Land in dieser Periode von Krieg und ausländischen Einflüssen frei hielten.
    Frieden und Wohlstand führten dazu, dass Bevölkerung und Wirtschaft in Japan explosionsartig wuchsen. Hundert Jahre nach dem Kriegsende hatte sich die Bevölkerung verdoppelt. Dafür war ein glückliches Zusammentreffen mehrerer Faktoren verantwortlich: Frieden, relativ geringer Einfluss von

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