Kollaps
Nachbarländern war praktisch verboten, was dort verständlicherweise zu Verärgerung führte. Erst in den letzten 25 Jahren befasst sich Australien endlich näher mit seinen asiatischen Nachbarn; man erkennt, dass man zu Asien gehört, nimmt asiatische Einwanderer auf und pflegt Beziehungen zu asiatischen Handelspartnern. Großbritannien ist unter den Exportmärkten Australiens mittlerweile auf den achten Platz zurückgefallen und liegt hinter Japan, China, Korea, Singapur und Taiwan.
Diese Beschreibung des australischen Selbstbildes als britisches oder asiatisches Land wirft wieder einmal eine Frage auf, die uns in diesem Buch schon mehrfach beschäftigt hat: Wie wichtig sind Freunde und Feinde für die Stabilität einer Gesellschaft? Welche Länder betrachtete Australien als Freunde, Handelspartner oder Feinde, und welchen Einfluss hatte diese Wahrnehmung? Wir wollen uns zunächst mit dem Handel und dann mit der Einwanderung beschäftigen.
Über ein Jahrhundert lang und ungefähr bis 1950 waren landwirtschaftliche Produkte und insbesondere Wolle die wichtigsten Exportgüter Australiens. An zweiter Stelle folgten Bodenschätze. Heute ist Australien immer noch der größte Wollproduzent der Welt, aber sowohl die Produktion als auch die Nachfrage auf den Weltmärkten gehen zurück, weil die Wolle in vielen Anwendungsbereichen zunehmend von Kunstfasern verdrängt wird. Die Zahl der Schafe erreichte in Australien 1970 mit 180 Millionen (was durchschnittlich 14 Schafen je menschlichem Einwohner entsprach) ihren Höhepunkt und ist seitdem stetig gesunken. Fast die gesamte Wollproduktion wird exportiert, insbesondere nach China und Hongkong. Andere wichtige landwirtschaftliche Exportgüter sind Weizen (der vor allem nach Russland, China und Indien verkauft wird), die Sonderform des Hartweizens, Wein und Bio-Rindfleisch. Derzeit produziert Australien mehr Lebensmittel, als es selbst verbraucht, sodass es in der Bilanz ein Nahrungsmittelexporteur ist, aber mit der wachsenden Bevölkerung nimmt auch der heimische Verbrauch zu. Wenn sich diese Entwicklung fortsetzt, könnte Australien von einem NettoExporteur zum Importeur von Lebensmitteln werden.
Heute nehmen Wolle und andere landwirtschaftliche Produkte als Devisenbringer in Australien nur den dritten Platz hinter dem Tourismus (Nummer 2) und den Bodenschätzen (Nummer 1) ein. Die Bodenschätze mit dem höchsten Exportwert sind Kohle, Gold, Eisen und Aluminium, und zwar in dieser Reihenfolge. Australien ist weltweit die größte Kohle-Exportnation. Es verfügt über die größten Lagerstätten für Uran, Blei, Silber, Zink, Titan und Tantal, und seine Kohle-, Eisen-, Aluminium-, Kupfer-, Nickel- und Diamantenvorkommen gehören zu den sechs größten der Welt. Insbesondere die Kohle- und Eisenreserven sind riesig, und man rechnet nicht damit, dass sie in absehbarer Zukunft zur Neige gehen werden. Früher waren Großbritannien und andere europäische Staaten die wichtigsten Abnehmer der Exportgüter, heute jedoch importieren asiatische Staaten fünfmal mehr Bodenschätze aus Australien als die Staaten Europas. Die drei wichtigsten Abnehmer sind derzeit Japan, Südkorea und Taiwan. Allein Japan kaufte beispielsweise fast die Hälfte der australischen Kohle-, Eisen- und Aluminiumexporte.
Kurz gesagt, hat sich das Schwergewicht der australischen Exporte in den letzten 50 Jahren von den landwirtschaftlichen Produkten zu Bodenschätzen verschoben, und bei den Handelspartnern ist Asien an die Stelle Europas getreten. Die Vereinigten Staaten sind nach wie vor die wichtigste Quelle australischer Importe und (nach Japan) der zweitgrößte Abnehmer von Exportwaren.
Solche Verschiebungen der Handelstätigkeit waren von Verschiebungen bei der Einwanderung begleitet. Australien hat eine ähnlich große Fläche wie die Vereinigten Staaten, aber die Bevölkerung ist mit derzeit rund 20 Millionen Menschen beträchtlich kleiner, und zwar aus dem nahe liegenden, stichhaltigen Grund, dass die australische Umwelt wesentlich weniger produktiv ist und wesentlich weniger Menschen ernähren kann. Dennoch blickten in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts viele Australier einschließlich der führenden Politiker ängstlich auf die viel dichter bevölkerten asiatischen Nachbarländer, insbesondere auf Indonesien mit seinen 200 Millionen Einwohnern.
Starken Einfluss hatten auch die Erfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg, als Australien vom weiter entfernten, aber bevölkerungsreichen Japan
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