Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kollaps

Kollaps

Titel: Kollaps Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
Vom Netzwerk:
bedroht und bombardiert wurde. Damals gelangten viele Australier zu dem Schluss, ihr Land leide unter einem gefährlichen Problem, weil es im Vergleich zu diesen asiatischen Nachbarn stark unterbevölkert war, und deshalb glaubte man, es sei ein verlockendes Ziel für die indonesische Expansion, wenn man nicht schnell alle leeren Räume auffüllte. Daher wurde ein Schnellprogramm zur Anwerbung von Einwanderern in den fünfziger und sechziger Jahren zu einem wichtigen politischen Anliegen.
    Im Rahmen dieses Programms gab man die bisherige Politik des weißen Australien auf, mit der man (als eine der ersten Maßnahmen des 1901 gegründeten australischen Commonwealth) die Einwanderung nicht nur praktisch ausschließlich auf Menschen europäischer Herkunft beschränkte, sondern auch vorwiegend auf Personen aus Großbritannien und Irland. In einem offiziellen Jahrbuch der Regierung hieß es damals, man sei besorgt, dass »Menschen ohne angelsächsisch-keltischen Hintergrund nicht in der Lage sind, sich auf die Verhältnisse einzustellen«. Die vermeintlich zu geringe Größe der Bevölkerung veranlasste die Regierung nun, Einwanderer aus anderen europäischen Staaten zuzulassen und später auch aktiv anzuwerben, insbesondere solche aus Italien, Griechenland und Deutschland, dann auch aus den Niederlanden und dem früheren Jugoslawien. Aber erst in den siebziger Jahren wurde der Wunsch nach mehr Einwanderern, als man in Europa rekrutieren konnte, in Verbindung mit der wachsenden Anerkennung einer nicht nur britischen, sondern auch pazifischen Identität für die Regierung zum Anlass, die juristischen Hindernisse für die Einwanderung von Asiaten aus dem Weg zu räumen. Heute sind Großbritannien, Irland und Neuseeland immer noch die wichtigsten Herkunftsländer der australischen Einwanderer, aber ein Viertel aller Neubürger stammt mittlerweile auch aus asiatischen Ländern, wobei Vietnam, die Philippinen, Hongkong und (in jüngster Zeit) China in den letzten Jahren abwechselnd an der Spitze lagen. Den höchsten Stand aller Zeiten erreichte die Einwanderung Ende der achtziger Jahre, und das hatte zur Folge, dass heute fast ein Viertel aller Australier in anderen Ländern geboren wurde, während dieser Anteil bei den US-Amerikanern nur 12 Prozent und bei den Niederländern drei Prozent ausmacht.
    Hinter dem Ziel, Australien »aufzufüllen«, steht ein Denkfehler: In Wirklichkeit gibt es handfeste ökologische Gründe dafür, dass Australien nach über zwei Jahrhunderten der europäischen Besiedelung immer noch nicht auf eine Bevölkerungsdichte wie in den USA angewachsen ist. Mit seinen geringen Süßwasserreserven und dem begrenzten Potenzial zur Lebensmittelproduktion ist Australien gar nicht in der Lage, eine nennenswert größere Bevölkerung zu ernähren. Außerdem würde eine Zunahme der Bevölkerung auch den Pro-Kopf-Erlös aus dem Export von Bodenschätzen vermindern. In jüngerer Zeit nimmt Australien höchstens noch 100 000 Einwanderer pro Jahr auf, was einem einwanderungsbedingten Bevölkerungswachstum von jährlich nur 0,5 Prozent entspricht. Dennoch vertreten viele einflussreiche Australier, darunter der Premierminister Malcolm Fraser, die Vorsitzenden der beiden großen politischen Parteien und das Australian Business Council, nach wie vor die Ansicht, das Land solle seine Bevölkerung auf mindestens 50 Millionen Menschen steigern. Hinter ihren Überlegungen steckt eine immer noch vorhandene Angst vor der »gelben Gefahr« aus überbevölkerten asiatischen Staaten in Verbindung mit dem Ehrgeiz, eine Weltmacht zu werden - und dieses Ziel, so der Glaube, sei mit 20 Millionen Einwohnern nicht zu erreichen. Aber dieser Ehrgeiz, der vor einigen Jahrzehnten noch sehr ausgeprägt war, ist mittlerweile so stark geschwunden, dass in Australien eigentlich niemand mehr mit einem Weltmachtstatus rechnet. Und selbst wenn die Australier solche Erwartungen hatten, sind Israel, Schweden, Dänemark, Finnland oder Singapur eindrucksvolle Beispiele für Staaten, die eine viel kleinere Bevölkerung haben als Australien (nämlich jeweils nur wenige Millionen) und dennoch als wichtige Wirtschaftsstandorte einen großen Beitrag zur weltweiten Kultur und technischen Entwicklung leisten. Anders als die Führungsgestalten in Politik und Wirtschaft ihres Landes wünschen sich heute 70 Prozent der Australier nicht mehr, sondern weniger Einwanderer. Auf lange Sicht darf sogar bezweifelt werden, ob Australien seine jetzige Bevölkerung

Weitere Kostenlose Bücher