Kollaps
Guerillakriegen im heutigen Sudan, auf den Philippinen, in Nepal und im Gebiet der alten Maya; vom Kannibalismus auf der prähistorischen Osterinsel, auf Mangareva und bei den Anasazi bis zu den Hungersnöten in vielen heutigen afrikanischen Staaten und wiederum auf der prähistorischen Osterinsel; von der AIDS-Epidemie, die in Afrika bereits wütet und in anderen Ländern am Anfang steht, bis zum Zusammenbruch der Zentralregierungen im modernen Somalia, auf den Salomonen, in Haiti und bei den alten Maya. Ein weniger drastisches Ergebnis als ein weltweiter Zusammenbruch könnte vielleicht darin bestehen, dass Verhältnisse wie in Ruanda oder Haiti sich »nur« auf weitere Entwicklungsländer ausbreiten, während wir als Bewohner der Industrieländer unserer Annehmlichkeiten beibehalten, wobei wir aber dennoch vor einer unglücklichen Zukunft mit chronischem Terrorismus, Kriegen und Krankheitsepidemien stehen. Es darf aber bezweifelt werden, dass die Industrieländer ihre besondere Lebensweise beibehalten können, wenn immer größere Wellen verzweifelter Flüchtlinge aus zusammenbrechenden Drittweltländern hereinströmen, und zwar in viel größerer Zahl als jetzt, wo sich die Zuwanderung schon nicht mehr aufhalten lässt. Dabei fällt mir wieder ein, wie ich mir das Ende des Hofes von Gardar in Grönland mit seiner Kathedrale und seinem großartigen Kuhstall vorstelle: Er wurde von Wikingern überrollt, auf deren ärmeren Höfen bereits alle Tiere gestorben und aufgegessen waren.
Aber bevor wir uns in diesem einseitig-pessimistischen Szenario verlieren, wollen wir die Probleme, denen wir gegenüberstehen, in ihrer Vielschichtigkeit noch genauer untersuchen. Damit werden wir nach meinem Eindruck zu einer vorsichtig optimistischen Sichtweise gelangen.
Um die bis hierher recht abstrakte Diskussion etwas konkreter zu machen, möchte ich im Folgenden erläutern, wie sich die genannten zwölf ökologischen Probleme in dem Teil der Welt, den ich am besten kenne, auf die Lebensweise auswirken: in der Großstadt Los Angeles im Süden Kaliforniens, wo ich zu Hause bin. Aufgewachsen bin ich an der Ostküste der Vereinigten Staaten, und danach habe ich mehrere Jahre in Europa gelebt; nach Kalifornien kam ich 1964 zum ersten Mal, es gefiel mir sofort, und 1966 zog ich dorthin.
Ich habe also miterlebt, wie der Süden Kaliforniens sich im Lauf der letzten 39 Jahre verändert hat, und durch die meisten dieser Veränderungen hat er an Reiz verloren. Nach weltweiten Maßstäben hat Südkalifornien relativ geringe ökologische Probleme. Allen Witzen der Ostküstenamerikaner zum Trotz besteht für die Region nicht die unmittelbare Gefahr eines gesellschaftlichen Zusammenbruchs. Nach den Maßstäben der ganzen Welt und sogar der gesamten Vereinigten Staaten ist die Bevölkerung außerordentlich reich und umweltbewusst. Manche Probleme in Los Angeles, insbesondere der Smog, sind allgemein bekannt, aber die meisten Umwelt- und Bevölkerungsprobleme sind nur mäßig stark ausgeprägt und typisch für eine Großstadt in einer Industrienation. Wie wirken sich diese Schwierigkeiten auf mein eigenes Leben und das der anderen Stadtbewohner aus?
Die Klagen, die praktisch alle Bewohner von Los Angeles erheben, haben unmittelbar mit unserer wachsenden und bereits jetzt sehr großen Bevölkerung zu tun: Sie betreffen die unvermeidlichen Verkehrsstaus, die hohen Wohnungspreise - die entstehen, weil Millionen Menschen in wenigen wirtschaftlichen Ballungszentren arbeiten -, und den sehr begrenzten Wohnraum in der Nähe dieser Zentren; dies hat unter anderem zur Folge, dass die Menschen zwischen Wohnung und Arbeitsplatz über sehr weite Entfernungen pendeln - mit einer einfachen Strecke von bis zu 100 Kilometern oder zwei Stunden Fahrzeit. Los Angeles war 1987 zum ersten Mal die Großstadt mit den schlechtesten Verkehrsverhältnissen der USA, und diese Stellung hat sie seither von Jahr zu Jahr behalten. Jeder weiß, dass die Probleme sich im Lauf der letzten zehn Jahre verschlimmert haben. Sie sind für die Arbeitgeber in Los Angeles mittlerweile der wichtigste Faktor, der die Anwerbung von Mitarbeitern erschwert, und sie vermindern unsere Bereitschaft, zu kulturellen Veranstaltungen zu fahren oder Freunde zu besuchen. Für die 20 Kilometer von meinem Haus in die Innenstadt von Los Angeles oder zum Flughafen rechne ich heute eine Fahrzeit von einer Stunde und 15 Minuten. Im Durchschnitt verbringt ein Bewohner von Los Angeles 368 Stunden im Jahr -
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