Kollaps
sind, aber noch längst nicht so ernst wie in großen Teilen der übrigen Vereinigten Staaten, wo die Bevölkerungsdichte fast überall größer ist und sich viel stärker auswirkt, während die Umwelt gleichzeitig viel empfindlicher ist als in Montana. Die Vereinigten Staaten ihrerseits sind, was lebenswichtige Ressourcen angeht, auf andere Teile der Welt angewiesen und stehen wirtschaftlich, politisch und militärisch mit ihnen in Kontakt. Und manche dieser Regionen leiden unter noch schlimmeren Umweltproblemen als die USA und sind in einem viel steileren Niedergang begriffen.
Im weiteren Verlauf dieses Buches werden wir uns mit Umweltproblemen befassen, die denen in Montana ähneln und in verschiedenen anderen Gesellschaften aus Vergangenheit und Gegenwart eine Rolle gespielt haben. Die Hälfte der historischen Gesellschaften, die ich hier erörtern werde, besaßen keine Schriftsprache, sodass wir über Wertvorstellungen und Ziele ihrer einzelnen Menschen viel weniger wissen als über die der Bewohner von Montana. Bei heutigen Gesellschaften wissen wir über Wertvorstellungen und Ziele Bescheid, aber hier habe ich selbst mit Montana weitaus mehr Erfahrungen als mit allen anderen Regionen der heutigen Welt. Auch wenn die Umweltprobleme hier meist in unpersönlichen Begriffen beschrieben werden, sollte man also die Probleme dieser anderen Gesellschaften ebenfalls unter dem Gesichtspunkt betrachten, wie sie auf die einzelnen Menschen wirken - auf Menschen wie Stan Falkow, Rick Laible, Chip Pigman, Tim Huls, John Cook und die Geschwister Hirschy. Wenn wir uns im nächsten Kapitel die scheinbar homogene Gesellschaft der Osterinsel ansehen, sollten wir uns einen Häuptling, Bauern, Steinmetzen und Delphinfischer vorstellen, die uns ihre eigenen Lebensgeschichten, Wertvorstellungen und Ziele mitteilen, genau wie meine Freunde aus Montana es mir gegenüber getan haben.
TEIL ZWEI
GESELLSCHAFTEN FRÜHERER ZEITEN
KAPITEL 2
Schatten über der Osterinsel
Rätsel im Steinbruch Geographie und Geschichte der Osterinsel ■ Menschen und Nahrung ■ Häuptlinge, Sippen und gemeines Volk ■ Plattformen und Statuen ■ Steinmetzarbeiten, Transport und Aufbau ■ Der verschwundene Wald ■ Folgen für die Gesellschaft ■ Europäer und Erklärungen ■ Warum war die Osterinsel so empfindlich? ■ Die Osterinsel als Metapher
Noch nie in meinem Leben hatte ein Ort auf mich so gespenstisch gewirkt wie Rano Raraku, der Steinbruch auf der Osterinsel, wo die berühmten, riesigen Steinstatuen aus dem Fels gehauen wurden. Zunächst einmal ist die Insel das abgelegenste bewohnbare Stückchen Erde auf der ganzen Welt. Das nächste Land ist die chilenische Küste 3700 Kilometer weiter östlich und die polynesischen Pitcairn-Inseln 2100 Kilometer im Westen. Als ich 2002 mit einer Linienmaschine aus Chile anreiste, dauerte der Flug über fünf Stunden. Während der ganzen Zeit erstreckte sich der Pazifik endlos bis zum Horizont. Außer Wasser war unter uns nichts zu sehen. Als ungefähr zur Zeit des Sonnenunterganges endlich der kleine Flecken namens Osterinsel undeutlich ins Blickfeld rückte, machte ich mir bereits Sorgen, ob wir die Insel vor Einbruch der Nacht finden würden und ob das Flugzeug genug Treibstoff an Bord hatte, um nach Chile zurückzukommen, falls wir zu weit flogen und die Insel verpassten. Eigentlich würde man kaum damit rechnen, dass dieses Eiland bereits von Menschen entdeckt und besiedelt wurde, bevor es in den letzten Jahrhunderten die schnellen europäischen Segelschiffe gab.
Ich betrat Rano Raraku, einen nahezu kreisrunden Vulkankrater mit einem Durchmesser von rund 600 Metern, über einen schmalen Pfad. Von der umgebenden Ebene ging es zunächst steil bergauf bis zum Kraterrand, und dann ebenso steil hinab zu dem sumpfigen See am Kraterboden. Heute wohnt niemand in dieser Gegend. Die innere und äußere Wand des Kraters sind mit insgesamt 397 Steinstatuen übersät, die jeweils einen stilisierten männlichen Körper mit langen Ohren und ohne Beine darstellen; die meisten sind vier bis sechs Meter hoch, die größte misst jedoch rund 21 Meter (womit sie größer ist als ein modernes fünfstöckiges Haus), und das Gewicht liegt zwischen 10 und 270 Tonnen. Die Reste einer Transportstraße sind noch heute zu erkennen: Sie führt durch eine Vertiefung, die an einer niedrigen Stelle in den Kraterrand gegraben wurde, und verzweigt sich dort in drei Straßen von jeweils etwa
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