Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)
ihre Ressourcen zurückzugeben. [706]
Zur Zeit dieser Niederschrift hat der Staat noch immer nicht eingelenkt. Tatsächlich sieht es so aus, als würde sich der Streit zwischen Maroons, Regierung und Großunternehmen noch jahrelang fortsetzen. Es geht um nichts weniger als die Zukunft des Regenwalds selbst, und die Maroons kämpfen nicht nur in Surinam.
Beweg dich, mein Ochse!
1991 kauften Maria do Rosario Costa Cabral und ihre Geschwister zehn Hektar Land an den Ufern des Igarapé Espinel (Flüsschen Espinel), eines Neben-Nebenflusses des Amazonas in Amapá, Brasiliens nordöstlichster Provinz. Dona Rosario, eine drahtige, wachsame Frau von zweiundsechzig Jahren, wurde in der Maroon-Gemeinschaft Ipanema geboren – einem Ort, der so arm war, dass sie ihre Streichhölzer der Länge nach zerteilten, damit sie mit einer Schachtel doppelt so lange auskamen, wie sie mir erzählte. Ihr Vater arbeitete als Kautschukzapfer und schleppte den Latex zu einem der bescheidenen Großhändler für Naturkautschuk, die es in der Region noch gibt. Wenn er und seine Freunde sich mit auffällig viel Kautschuk einfanden, erkannten wohlhabendere Leute, dass die Zapfer eine besonders ergiebige Baumgruppe entdeckt haben mussten. Sie ermittelten den Fundort, vertrieben die Zapfer mit Gewalt und übernahmen die Bäume. Das Gleiche geschah mit ihren Farmen. Sie erwarben brachliegendes Land – eine Plantage, die zwanzig oder dreißig Jahre zuvor pleite gegangen war – und erwirtschafteten einige Ernten. Kaum war die Familie dort sesshaft geworden, tauchten Pistoleros auf. Ihr seid illegale Siedler, sagten die. Wenn die Siedler einen Vertrag vorweisen konnten, hieß es, er sei ungültig. Verschwindet auf der Stelle, sagten sie, und fassten nach ihren Pistolen. Als Dona Rosario erwachsen war, hatte sich wenig geändert. Immer wieder legte sie Farmen an, und immer wieder wurde sie vertrieben. Trotzdem ergriff sie die Gelegenheit, Land am Igarapé Espinel zu kaufen.
Nichtamazonier dürften dem Anwesen kaum etwas abgewinnen. Es liegt nur dreihundert Kilometer von der Mündung des Flusses entfernt, wo der Amazonas so breit ist, dass er wie ein Gezeitengewässer wirkt – das Gebiet wird zweimal am Tag überflutet. Der Druck ist so groß, dass noch tief im Wald zahllose Bäche über die Ufer treten und ins Landesinnere fließen, manchmal kilometerweit. Die Bewohner erbauen ihre Häuser auf Pfählen und paddeln mit ihren Kanus zwischen den Bäumen. Selbst wenn das Land trockenfällt, ist es mit einer zähen Schlammschicht bedeckt. Vor kurzem habe ich Dona Rosarios Farm mit Susanna Hecht, der Geographin von der University of California in Los Angeles, besucht. Rasch stand uns der Schlamm bis zu den Knien und riss uns fast die Stiefel von den Füßen.
Dona Rosario berichtete uns, sie habe das Land billig erworben, weil es von der Palmherz-Manie Ende der 1980 er Jahre verwüstet gewesen sei, als auf jeder schicken Speisekarte von London bis Los Angeles Palmherzensalat zu finden war. Das Palmherz ist das Mark der jungen Triebe am oberen Ende einer Palme, dem Vegetationskegel, und besonders begehrt von südamerikanischen Arten wie der Açaí-Palme (
Euterpe oleracea
), der Jucara-Palme (Kohlpalme,
Euterpe edulis
) und der Pupunha-Palme (Pfirsichpalme,
Bactris gasipae
). Entschlossen, jeden Cent aus dem Wald zu quetschen, durchkämmten die Palmherzjäger das Gebiet am Unterlauf des Amazonas mit der Unbarmherzigkeit von Auftragskillern. Kähne spuckten Trupps mit Äxten und Winden aus, die ganze Palmenhaine fällten, um schnell an die essbaren Triebe zu kommen. Dabei lassen sich die Herzen auch entfernen, ohne den Baum zu schlagen, aber das dauert länger. Wenn sie irgendetwas anderes entdeckten, was wertvoll aussah, nahmen sie auch das mit. «Das Land wurde ausgeplündert», berichtete Dona Rosario. «Es war nur noch eine Masse aus Ranken und Gestrüpp.»
Dank der Techniken, die sie in ihrer Heimat von ihrem Vater gelernt hatte, gelang es ihr, das Land wieder urbar zu machen. Mit Hilfe ihrer Brüder und Schwestern pflanzte sie rasch wachsende Bäume für die Sägemühlen flussaufwärts. Für den Markt zogen sie Obstbäume: Limetten, Kokosnuss, Cupuaçu – ein Verwandter des Kakaos, der allerdings eher wegen seines schmackhaften Fruchtfleischs als wegen seiner Samen genutzt wird – und Açaí-Palmen. Die Bäume, die früher zur Gewinnung von Palmherzen dienten, haben lila Früchte mit einem joghurtartigen Fleisch. Mit geflochtenen Fallen –
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