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Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Titel: Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles C. Mann
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Niederländern um den Teil des Welthandels, der nicht von Spanien beherrscht wurde. 1667 wurde ein Vertrag zu günstigen Bedingungen für die Niederländer geschlossen. Sie erhielten Surinam, das enorme Gewinne versprach. Als eine Art Trostpreis bekamen die Engländer eine kalte, dünn besiedelte Insel, die bei ihren indigenen Bewohnern Mannahatta hieß.
    Sogleich machten sich die Niederländer ans Werk. Schiffe voller gefangener Afrikaner liefen den winzigen Hafen von Paramaribo im Mündungsgebiet des Rio Suriname an. Von Sklaven geruderte Kähne brachten sie fünfzig Kilometer flussauf zu den Zuckerplantagen, die rund um das Dorf Jodensavanna (Juden-Savanne) lagen – gegründet von Juden, die vor der spanischen Inquisition geflohen waren. [48] Dort wurde der von Indianern bewirtschaftete Wald durch riesige Felder mit Zuckerrohr ersetzt. Dazwischen lagen Felder mit afrikanischem Reis. Von der Rodung und Bewirtschaftung des Bodens profitierten wie in der Karibik die Moskitos, besonders
Anopheles darlingi
, der, wie in Kapitel  3 berichtet, wichtigste Malaria-Vektor Südamerikas. Sklavenschiffe schleppten
Aedes aegypti
ein, den Gelbfieber-Moskito. Die Sklaven selbst brachten die
P.-falciparum
-Malaria und das Gelbfieber. Alle wurden flussauf nach Jodensavanna gebracht.
A. darlingi
brütet gern auf kürzlich gerodetem Land, wo sie zwischen Waldrand und menschlichen Behausungen hin- und herfliegen kann. In dem Maße, wie die Kolonisten Sklaven zum Fällen der Bäume zwangen, schnellte die europäische Sterblichkeitsrate empor. [700] Daraufhin engagierten die niederländischen Großgrundbesitzer Aufseher für die Bewirtschaftung ihre Besitzungen und blieben zu Hause. «Bewirtschaftung» hieß im Wesentlichen, Afrikaner zu importieren. Rund 300 000 landeten an Surinams Küsten. Mit anderen Worten, eine Kolonie von etwa der Größe Wisconsins zählte fast so viele Sklaven wie die gesamten USA . Auf jeden Europäer in der Kolonie kamen mehr als fünfundzwanzig Afrikaner. [701]
    Wie nicht anders zu erwarten, waren die wenigen malariageschwächten Niederländer nicht in der Lage, die Flucht ihrer Sklaven zu verhindern. Zu Tausenden liefen die Afrikaner davon, vermischten sich mit den indigenen Einwohnern und gründeten in der Wildnis multiethnische Gemeinschaften von Gesetzlosen. In den 1670 er Jahren brach ein Guerillakrieg aus, der fast hundert Jahre dauerte und in dem die Niederländer nach und nach den Kürzeren zogen. 1762 unterzeichnete die Kolonialverwaltung einen demütigenden Friedensvertrag: Die niederländischen Unterzeichner mussten sich nach afrikanischem Brauch einen Schnitt beibringen und ihr Blut trinken. Das Hauptzugeständnis der Maroons war, dass sie ab diesem Zeitpunkt Flüchtlinge zurückgeben würden. Infolgedessen brachten sich die entlaufenen Sklaven in anderen Teilen der Wälder in Sicherheit und gründeten dort neue Gemeinschaften. Versuche, sie zu verfolgen, mündeten in einen zweiten Guerillakrieg. Surinams Pflanzer baten um Hilfe. [702]
    1772 wurden mehr als tausend Soldaten über den Atlantik verschifft, unter ihnen auch John Gabriel Stedman, geboren in den Niederlanden als Sohn eines Vaters, der vor der Hungersnot in Schottland geflohen war. Stedman führte ein Tagebuch, das zur Chronik einer medizinisch-militärischen Katastrophe wurde. Kurz nach seiner Landung befiel ihn «ein so schlimmes Fieber, dass man keine Genesung mehr erwartete». Keiner der anderen Soldaten half ihm: «Siechtum war so häufig in diesem Land, und jeder war so mit sich selbst beschäftigt, dass selbst unter nächsten Bekannten Vernachlässigung um sich griff.»
    Stedman hatte das Glück, sein
seasoning
zu überleben, und fuhr stromaufwärts. Die einst von den Indianern sorgfältig bewirtschaftete Landschaft war zum Albtraum verkommen. In Stedmans Tagebuch häufen sich die Klagen über die «unvorstellbar zahlreichen» Stechmücken. Die Insekten traten in so dichten, summenden Schwärmen auf, dass sie Kerzen erstickten und es einem unmöglich machten, Menschen auf dreißig Meter zu sehen oder zu hören. Als Stedman einmal in die Hände klatschte, tötete er achtunddreißig Mücken.
    Krank, elend, zerstochen und zerlumpt, so jagte Stedmans Truppe in diesen Wäldern drei Jahre lang vergeblich hinter entlaufenen Sklaven her. Sie schlugen genau eine Schlacht. Sie gewannen sie, aber verloren den Krieg. «Aus einer Zahl von nahezu zwölfhundert wehrhaften Männern kehrten nun keine hundert zu ihren Freunden in die Heimat

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