Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)
Einkünfte aus dem Zuckeranbau vorzuenthalten, besetzten Briten 1793 die wichtigsten Städte Haitis. Die Soldaten erwiesen sich als begehrte Wirtsorganismen für einen der unheilvollen Teilnehmer am kolumbischen Austausch, den Gelbfiebervirus. J. R. McNeill, der Historiker von der Georgetown University, dessen Spezialgebiet von Stechmücken übertragbare Infektionskrankheiten sind, meint, dass die britischen Streitkräfte jeden Monat von Juni bis November 1794 rund zehn Prozent ihrer Soldaten verloren. Die Überlebenden des Gelbfiebers fielen der Malaria zum Opfer. Dank Verstärkung hielt das Expeditionsheer bis zum nächsten Sommer aus, als die monatliche Sterblichkeit auf zweiundzwanzig Prozent stieg. «Die Neuankömmlinge starben erstaunlich rasch», schreibt McNeill, «als wären sie von den Schiffen direkt in ihre Gräber gestiegen.» Abermals wurden sie verstärkt: Im Februar 1796 trafen noch mal 13 000 Soldaten ein. In wenigen Wochen waren weitere 6000 tot. 1798 gaben die Briten Haiti auf.
Währenddessen setzte sich der Sklavenaufstand unter Führung des hochintelligenten, charismatischen und diktatorischen Toussaint Louverture fort. Toussaint, wie er genannt wurde, blieb wenig Zeit, die britische Niederlage zu genießen. Napoleon Bonaparte war der Staatsstreich in Frankreich gelungen und er zeigte sich entschlossen, die außerordentlich einträglichen Zuckerrohr- und Kaffeeplantagen in Haiti zu behalten. Eine französische Streitmacht von etwa 65 000 Mann landete im Februar 1802 . Toussaint hatte knapp halb so viele Männer und so wenig Ausrüstung und Waffen, dass seine Kämpfer, wie er sagte, «nackt wie Regenwürmer» gewesen seien. Er befahl seinen Rebellen, sich in die Hügel zurückzuziehen und die Fiebersaison abzuwarten. Toussaint wurde gefangen genommen und inhaftiert, aber seine Strategie ging auf. Im September waren rund 28 000 Franzosen tot; weitere 4400 lagen im Lazarett. Zwei Monate später starb der französische Kommandeur. Seine Armee kämpfte weiter, aber sie eroberte lediglich ihren eigenen Friedhof. Der Versuch endete im November 1803 , als das französische Expeditionsheer 50 000 von seinen 65 000 Soldaten verloren hatte. Dazu schreibt McNeill, Malaria und Gelbfieber, die beiden Krankheiten, die entscheidend zur Ausbreitung der Sklaverei beigetragen hätten, seien hier den Afrikanern behilflich gewesen, sie zu beenden. Als Napoleon seine Hoffnungen auf ein karibisches Reich begraben musste, verkaufte er den USA alle nordamerikanischen Territorien Frankreichs: der Louisiana Purchase.
So verdanken die Vereinigten Staaten einen großen Teil ihres gegenwärtigen Staatsgebiets indirekt den Maroons – wofür sie sich allerdings nicht sonderlich dankbar zeigten. Das unabhängige Haiti, ein reiner Maroon-Staat, wurde zu einem Symbol, das Sklavenhalter in aller Welt, auch in den USA , in Angst und Schrecken versetzte. Ganz Europa und die Vereinigten Staaten verhängten jahrzehntelang ein mörderisches Wirtschaftsembargo gegen Haiti. Um den Handel mit Zucker und Kaffee gebracht, der die wirtschaftliche Basis des Landes gebildet hatte, brach die haitianische Wirtschaft zusammen und stürzte eine Gesellschaft in Armut, die einst die wohlhabendste in der Karibik gewesen war. [699]
In den Jahrhunderten des Sklavenhandels waren Fluchtversuche zahlreich und häufig erfolgreich. Die entflohenen Afrikaner mischten sich mit indigenen Gruppen und verteilten sich samt ihren Nachkommen über die ganze Hemisphäre. Viele bildeten afroindianische Gemeinschaften, Mikrostaaten, die häufig eine faktische Unabhängigkeit von Spanien erstritten – ein zäher Kampf um Emanzipation, der Jahrzehnte und sogar Jahrhunderte vor der US -amerikanischen Unabhängigkeitserklärung große freie Gebiete entstehen ließ.
Surinam
Einige niederländische und englische Abenteurer wagten sich Anfang des 17 . Jahrhunderts in die nördlich von Brasilien gelegenen Küstengebiete von Surinam vor, um Kaffee, Kakao, Tabak und Zuckerrohr anzubauen. Da die Europäer wertvolle Tauschwaren hatten, duldeten die indigenen Herrscher ihre Gegenwart zunächst – schließlich konnten sie sie jederzeit vertreiben. In der Tat kann man sich gut vorstellen, dass die Indianer belustigt zusahen, wie sich die winzigen niederländischen und englischen Kolonien augenblicklich um das rein theoretische Anrecht auf das Gebiet zu bekriegen begannen. Die Auseinandersetzung war Teil eines weltweiten Kampfes zwischen Engländern und
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