Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)
das Adjektiv vermarktet werden dürfe. Der Lauan oder Luan, wie der Baum korrekt heißt, war auf den Philippinen außerordentlich häufig. In den 1950 er Jahren schnellten die Exporte in die Höhe, wobei das Holz vorwiegend in Japan und den USA Abnehmer fand, wo es größtenteils für Möbel, Parkett und Zierleisten verwendet wurde. Das besondere Interesse der Holzfirmen galt dem Landesinneren von Luzon, der größten Insel der Philippinen, weil Manila leicht zu erreichen war, wo die Stämme auf Schiffe verladen wurden. [712]
Für Touristen sind die größten Attraktionen in Luzons bergigem Inneren die Reisterrassen. In Gestalt langer, schmaler Felder klettern sie kilometerweit in jeder Richtung die Hügel hinauf. In Fremdenführern heißt es, sie seien vor 2000 Jahren von Flüchtlingen angelegt worden – Angehörigen der Miao aus dem Südwesten Chinas, die vor einer ethnischen Säuberung geflohen waren. Wie in ihrer Heimat hätten die Miao hier Terrassen angelegt, nur noch spektakulärer. Wenn die Sonne durch die Wolken dringt, leuchtet der junge Reis als grasgrünes Band entlang der steinigen Ränder der Terrassenwände auf – ein Bild von jener unfassbaren Schönheit, die Touristen automatisch nach ihren Kameras greifen lässt. Inzwischen haben so viele Touristen nach ihren Kameras gegriffen, dass die UNESCO Ifugao, die meistfotografierte Gegend, zum Weltkulturerbe erklärt hat. Einige der Terrassen schlingen sich vollständig um die Hügel, sodass diese wie Hochzeitskuchen mit fünfzig Schichten aussehen. Als ich dort hinkam, standen Frauen knöcheltief im Wasser und jäteten die Reisfelder. Unter ihnen führten die Terrassen in die sonnenbeschienene Tiefe. Zwei Jungen fischten zwischen Reisähren. Mit der absurden Ordnung eines Escher-Bildes kletterten die Terrassenstufen auf und nieder. [713]
Ein Mann, den ich im Bus nach Ifugao getroffen hatte, begleitete mich eine Zeit lang. Die Terrassen stürben, sagte er, die ganzen tausend Quadratkilometer. Riesige Regenwürmer aus Übersee seien dort eingefallen. Einen halben Meter hielt er die Hände auseinander, um ihre Größe anzudeuten, wobei seine Tätowierungen sichtbar wurden, die sich in komplizierten Mustern um seine Oberarme schlangen. Durch ihre riesigen Tunnel laufe das Wasser aus den Feldern, und die Reispflanzen gingen ein. Die Würmer, fremde Eindringlinge, machten die Terrassen porös und schwammartig. Nun seien «porös» und «schwammartig» keinesfalls Beiwörter, die mit dem Substantiv «Terrasse» in Verbindung gebracht werden dürften. Die Terrassen, die zwei Jahrtausende überdauert hätten, würden in weniger als zehn Jahren verschwinden.
Die Würmer waren durchaus nicht die einzigen eingeschleppten Schädlinge. Die gefurchte Apfelschnecke
(Pomacea canaliculata)
wurde 1979 von Brasilien nach Taiwan geschickt, um eine Schneckenzucht für die Gastronomie ins Leben zu rufen. Doch dieser Businessplan wurde nie in die Tat umgesetzt, weil die prospektiven Schneckenmillionäre entdeckten, dass
P. canaliculata
vom Rattenlungenwurm befallen wird, einem Parasiten, der auch auf Menschen übertragen werden kann. Außerdem mochten die Taiwanesen den Geschmack der Schnecke nicht. Bald nach ihrer Ankunft entwichen einige der Tiere aus den Zuchtbetrieben auf landwirtschaftliche Flächen. Entsetzt entdeckten die Ackerbauern, dass Apfelschnecken Allesfresser sind, die sich rasch vermehren, überraschend mobil und sehr hungrig sind. Sich in Windeseile an Flüssen und Bächen ausbreitend, fraßen sie Fisch- und Amphibieneier, andere Schnecken, viele Insekten und zahllose Pflanzenarten. Eine besondere Vorliebe bewiesen sie für Reisstängel – ein Riesenproblem in einem ostasiatischen Land. Obwohl das alles längst bekannt war, bat die philippinische Regierung in den 1980 er Jahren Angehörige des US -amerikanischen Friedenskorps, die Apfelschnecke in den Reisfeldern des Landes auszusetzen. Auch hier stand der Wunsch dahinter, eine Schneckenzucht zu beginnen. Abermals erwies sich diese Hoffnung als trügerisch. Schon bald fraßen die Schnecken alles, was ihnen vor die Raspelzunge kam. [714]
Der Mann aus dem Bus stellte sich mir als Manuel vor. Er lud mich zu sich ein, und wir saßen auf den Decken aus gestreiftem Tuch, die es dort anscheinend überall in den Häusern gibt. In Bambuskörben wurden Gläser und Dosen aufbewahrt. In einem Topf dampfte Reis. Manuel sah, dass ich den Topf betrachtete, und fragte mich, ob ich etwas Reis wolle – er stammte von
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