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Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Titel: Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles C. Mann
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Lebensunterhalt.
    Wirtschaftswissenschaftler haben theoretische Instrumente zur Bewertung dieser inkommensurablen Kosten und Nutzen entwickelt. Dabei spielt allerdings die Größenordnung eine geringere Rolle als ihre Verteilung. Die Vorteile sind diffus und verteilen sich rund um den Globus, während die Last intensiv und lokal ist. Wirtschaftswissenschaftler sagen, dass die Transaktionen in solchen Fällen mit Externalitäten oder externen Effekten verknüpft sind: Auswirkungen auf Dritte, die ansonsten nicht beteiligt sind. Der Nebeneffekt kann positiv sein; einige Dorfbewohner auf Mindoro machen sich das halb legal gerodete Land zunutze, um größere Gärten anzulegen. Problematisch sind jedoch die negativen Externalitäten: Erosionen, Landrutsche, gelber Strand. Theoretisch liegt die Lösung auf der Hand: Erhöhe die Preise so, dass die Kosten in voller Höhe berücksichtigt sind. Statt, sagen wir, hundert Dollar für seinen Tisch zu bezahlen, hätte mein Großvater 125  Dollar bezahlen müssen, sodass man mit dem zusätzlichen Geld die Dorfbewohner für ihre gelben Strände hätte entschädigen oder den Holzfirmen die Sonderkosten für Schutzmaßnahmen hätte erstatten können. In der Praxis sind solche Vereinbarungen allerdings nicht leicht.
    Kompliziert wird das alles durch die Fülle an widersprüchlichen Motiven. Einerseits wünschen sich die Menschen die vielen Waren und Dienstleistungen, die der globale Markt liefert. Niemand zwingt Thelma, einen Ferienpark für Fremde zu bauen. In Amapá hat niemand Dona Rosario den Arm so lange verdreht, bis sie sich einen Fernsehapparat und eine Kühltruhe anschaffte. Niemand hat den halbwüchsigen chinesischen Dorfbewohnern in Shaanxi eine Pistole an den Kopf gehalten, damit sie nach Nintendo-Spielen, amerikanischen Zigaretten und DVD s mit Will-Smith-Filmen verlangten. Genauso wenig wie ihren etwas älteren Landsleuten in Peking und Schanghai, damit sie durch ihre Nachfrage nach französischen Weinen die Bordeaux-Preise in schwindelnde Höhen treiben. Smartphones, aerodynamische Sneaker, beigefarbene Sitzgruppen aus Lederimitat – all das wünschen sich die Menschen. Wenn es keine Katastrophe gibt, bekommen sie es auch. Oder ihre Kinder.
    Andererseits wehren sich dieselben Menschen, die ihr Verlangen befriedigen, gegen die Konsequenzen dieser Bedürfnisbefriedigung. Sie möchten haben, was alle anderen haben, bestehen aber gleichzeitig aggressiv darauf, sie selbst zu bleiben – ein widersprüchliches Unterfangen. Während sie im kapitalistischen Strom treiben, tasten sie mit den Füßen nach unten, um festen Boden zu finden. Um sicher zu stehen, müsste es ihr eigener Boden sein, nicht der eines anderen. Doch in dem Maße, wie die Wünsche der Menschen das Homogenozän entstehen lassen, bewegen sich Milliarden von Menschen durch Landschaften, die einander immer ähnlicher werden, sodass dieser besondere, dieser eigene Ort immer schwerer zu finden ist. Die Dinge fühlen sich verändert und beunruhigend an. Einige Menschen flüchten sich in ihre einheimischen Dialekte, in Volkstrachten oder eine fiktive Version ihrer Geschichte oder Religion. Andere verwirklichen sich in ihren Häusern und Gärten. Einige wenige greifen zu den Waffen. Während die Welt zusammenwächst, zerfallen ihre konstitutiven Elemente in Hälften und die Hälften in Viertel. Einheit oder Spaltung – Thelma’s Paradise oder die Neue Volksarmee – wer wird sich durchsetzen? Oder ist der Konflikt unvermeidlich?
    Nach ein oder zwei Stunden trieb uns der Skipper an – er hatte es eilig, nach Bongabong zurückzukommen. Auf keine Fall wollte er das Boot ohne Lichter, Seekarten und Navigationshilfen bei Nacht um die felsige, von vorgelagerten Inseln übersäte Küste steuern. Mit Rudmar ging ich die Promenade entlang und suchte nach einer Möglichkeit, etwas Wasser zu kaufen. Die Nachmittagssonne begann lange Schatten zu werfen. Wir stießen auf einige Frauen und Kinder, die vor einer mit Palmblättern gedeckten Hütte in einem – wie es meinem unbedarften Auge erschien – Familiengarten beschäftigt waren, einem
bahay kubo
.
    Die Frauen und Kinder bewegten sich mit beneidenswerter Geschicklichkeit, rasch und effizient erledigten sie ihre Arbeit. Sie wurden von hohen Maisstängeln überragt – inzwischen die zweitwichtigste Feldfrucht der Philippinen. Darunter wuchsen Kürbisse und Paprika. Mir war klar, warum die Botaniker sich über das Lied amüsiert hatten – die Pflanzen, die hier

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