Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)
angesichts der vielen Beschreibungen von Tertianfieber aber wohl schon vorher. Erinnern wir uns auch daran, dass die Virginia-Kolonisten in den 1670 er Jahren bereits gelernt hatten, ihre Überlebenschancen zu verbessern; Todesfälle durch
seasoning
waren auf zehn Prozent und weniger gesunken. Doch im nächsten Dezennium stieg die Sterblichkeit wieder an – laut den Historikern Darrett und Anita Rutman ein Anzeichen für die Ankunft von
P. falciparum
. Dieser Erreger, temperaturempfindlicher als
P. vivax
, ist nie in England dokumentiert worden und kam daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in den Körpern der ersten afrikanischen Sklaven über das Meer. [241]
P. falciparum
schuf ein deutlich erkennbares Muster. Im Winter und im Frühjahr starben die Afrikaner in der Chesapeake Bay häufiger als die Europäer – was nach Ansicht der Rutmans an schlechter Ernährung und Unterkunft sowie der mangelnden Gewöhnung an Eis und Schnee lag. Doch die Sterblichkeitskurven der Afrikaner und Europäer kreuzten sich in der Zeit zwischen August und November, also im Zeitraum, in dem die Malaria, wenn die Infektion im Frühsommer, auf dem Höhepunkt der Moskitosaison, stattgefunden hatte, richtig ausbrach. Während dieser Monate war die Wahrscheinlichkeit, der Krankheit zum Opfer zu fallen, bei den Besitzern weit höher als bei den Sklaven – so viel höher, dass die allgemeine Sterblichkeit der Europäer viel größer war als die der Afrikaner. Ganz ähnlich verhielt es sich in Carolina. Auch dort starben die Afrikaner in großer Zahl an Tuberkulose, Grippe, Ruhr und menschlicher Brutalität. Viele erlagen auch der Malaria, wenn ihre Leidensgenossen
Plasmodium
-Stämme einschleppten, mit denen sie bislang nicht in Berührung gekommen waren. Aber sie fielen ihr nicht so rasch zum Opfer wie die Europäer.
Da keine Kolonie genaue Verzeichnisse führte, lassen sich die Sterblichkeitsraten nicht exakt vergleichen. Doch wir können einen gewissen Eindruck gewinnen, indem wir einen anderen Kontinent mit endemischer Malaria betrachten, den die Europäer zu erobern trachteten: Afrika. Die Überlegung, Malaria-Raten an Orten, die durch den Atlantik voneinander getrennt sind, miteinander vergleichen zu können, ist selbst ein Merkmal des Zeitalters, in dem wir leben – des Homogenozäns. Philip Curtin, einer der bedeutendsten Historiker der Sklaverei, hat in britischen Archiven gestöbert, um herauszufinden, wie es britischen Soldaten in Regionen wie Nigeria und Namibia ergangen war. Die Zahlen waren erschütternd: Aus Parlamentsberichten des 19 . Jahrhunderts über das Schicksal stationierter Briten in Westafrika geht hervor, dass jedes Jahr achtundvierzig bis siebenundsechzig Prozent von ihnen Krankheiten zum Opfer fielen. In derselben Region lag die Sterblichkeit der afrikanischen Truppen dagegen bei drei Prozent – ein signifikanter Unterschied. Die afrikanischen Krankheiten töteten so viele Europäer, dass Sklavenschiffe, wie Curtin entdeckte, häufig anteilig mehr weiße Besatzungsmitglieder verloren als schwarze Sklaven – und das trotz der entsetzlichen Bedingungen unter Deck, wo die Sklaven angekettet in ihren eigenen Exkrementen lagen. Um solchen Verlusten vorzubeugen, heuerten die europäischen Sklavenhändler afrikanische Besatzungen an.
Im kolonialen Amerika war der Unterschied zwischen den Sterberaten der Europäer und Afrikaner kleiner, weil die Europäer in Afrika vielen Krankheiten zum Opfer fielen, nicht nur Malaria und Gelbfieber. Doch eine britische Erhebung, die etwa zur Zeit des Parlamentsberichts durchgeführt wurde, lässt darauf schließen, dass die Afrikaner auf den Kleinen Antillen, dem südlichen Inselbogen in der Karibik, dreimal so häufig überlebten wie die Europäer. Möglicherweise wird der Vergleich dem Unterschied noch nicht einmal gerecht, denn auf einigen dieser Inseln gab es kaum Malaria. So lässt sich wohl behaupten, dass für die Engländer in der amerikanischen
P.-falciparum-
und Gelbfieberzone das Risiko, im ersten Jahr zu sterben, zwischen drei- und zehnmal so groß war wie für die Afrikaner. [242]
Der daraus resultierenden wirtschaftlichen Logik konnten sich die Europäer kaum verschließen. Wollten sie Tabak, Reis oder Zucker anbauen, kamen sie besser mit afrikanischen Sklaven zurecht als mit europäischen Vertragsdienern oder indianischen Sklaven. «Vorausgesetzt, die Unterhaltskosten waren für beide ungefähr gleich», lautete Curtins Schlussfolgerung,
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