Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)
des Krieges damit, von einer Festung an der Küste aus eine Seeblockade durchzusetzen. In der Abenddämmerung flirrte die Luft von
Anopheles quadrimaculatus
. Zwischen Sommer 1863 und Sommer 1864 wurde die offizielle jährliche Infektionsrate für Wechselfieber mit 233 Prozent angegeben – durchschnittlich erkrankte ein Soldat zwei oder mehr Male.
Von Beginn an war die Unionsarmee größer und besser ausgerüstet als die Konföderierten. Doch wie bei Bull Run verlor der Norden Schlacht auf Schlacht. Teilweise waren unfähige Generäle, tapfere Gegner und lange Nachschubwege daran schuld. Mindestens genauso aber auch die Malaria – der Preis für das Eindringen in die
Plasmodium
-Zone. Während des Krieges fiel die jährliche Erkrankungsrate nie unter vierzig Prozent. In einem Jahr infizierte
Plasmodium
361 968 Soldaten. Nur selten tötete der Parasit seine Opfer direkt, aber er schwächte sie so nachhaltig, dass sie rasch anderen Krankheiten erlagen – der Ruhr, den Masern oder «chronischem Rheumatismus», wie die Militärärzte schrieben; wahrscheinlich handelte es sich um Streptokokkeninfektionen. Im Bürgerkrieg, dem tödlichsten Konflikt in der US -amerikanischen Geschichte, verloren 600 000 Soldaten ihr Leben. Aber die meisten von ihnen fielen nicht in der Schlacht. An Krankheit starben doppelt so viele Unionssoldaten wie an Kugeln oder Granaten der Konföderierten.
Auch auf den Verlauf des Krieges wirkte sich die Malaria aus. Kranke Soldaten mussten auf Bahren getragen oder unter beträchtlichen Kosten abtransportiert werden. So viele Soldaten, die so lange krank waren, mussten ständig an den Ressourcen der Nordstaaten zehren. Die konföderierten Generäle benutzten die Malaria nicht, sie hatten noch nicht einmal eine klare Vorstellung, worum es sich handelte, trotzdem war sie ein Extrapfeil in ihrem Köcher.
Plasmodium
dürfte den Sieg der Union um Monate oder sogar Jahre verzögert haben. [266]
Auf lange Sicht könnte das vielleicht sogar ein Anlass zur Freude sein. Ursprünglich hatte der Norden nur die Erhaltung der Nation, nicht die Sklavenbefreiung zu seinem Kriegsziel erklärt; mit wenigen Gegenstimmen hatte der Kongress den Rebellenstaaten versprochen, dass «dieser Krieg nicht geführt wird», um ihre «Rechte oder angestammten Institutionen aufzuheben oder zu beeinträchtigen», wobei man unter den «angestammten Institutionen» [267] die Sklaverei verstand. Je länger sich der Krieg hinzog, desto größer wurde die Bereitwilligkeit Washingtons, auch radikalere Maßnahmen in Betracht zu ziehen. Haben wir also die Emanzipationsproklamation der Malaria zu verdanken? Ausgeschlossen ist es nicht.
Obwohl heute fast vergessen, verbreitete das Gelbfieber von den US -Südstaaten bis Argentinien Furcht und Schrecken, was sich erst mit der Entwicklung eines zuverlässigen Impfstoffs in den 1930 er Jahren änderte. Diese Zeichnung von 1873 stammt aus einem Zeitschriftenartikel über einen Ausbruch der Krankheit in Florida.
In noch höherem Maße war
Plasmodium
an der Entstehung der Vereinigten Staaten beteiligt. Im Mai 1778 , während des Revolutionskrieges, wurde Henry Clinton zum Oberbefehlshaber der britischen Streitkräfte ernannt. Zum Teil aufgrund unzutreffender Berichte amerikanischer Exilanten in London glaubte der britische Kommandeur, dass es in Carolina und Georgia von Loyalisten wimmle, die nur Furcht hätten, sich zu ihrem Mutterland zu bekennen. Daraufhin entschloss er sich zu einer «Südstrategie». Er wollte Truppen nach Süden schicken, die die Region lange genug halten sollten, um der schweigenden loyalistischen Mehrheit Mut zu machen, ihre Treue zum König zu bekunden. Außerdem versprach er allen Sklaven, die für ihn kämpften, die Freiheit. Ohne es zu wissen, unternahm Clinton damit eine Invasion in die Malariazone.
Die britischen Truppen hatten den Gewöhnungsprozess des
seasoning
noch nicht hinter sich; zwei Drittel der Soldaten, die 1778 eingesetzt wurden, kamen aus dem malariafreien Schottland. Zwar hatten viele britische Soldaten 1780 schon ein oder zwei Jahre in den Kolonien verbracht – aber vorwiegend in New York und Neuengland, nördlich der
Plasmodium
-Grenze. Die Kolonisten aus dem Süden dagegen hatten das
seasoning
hinter sich; fast alle waren immun gegen
P. vivax
, und viele hatten auch
P. falciparum
überlebt.
1780 nahmen die britischen Streitkräfte nach Belagerung die Stadt Charleston ein. Clinton verließ seine Truppen einen Monat später und wies
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