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Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Titel: Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles C. Mann
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erschien 1984 . In der Dazhai-Ära habe die Erosion in den Huanghe um ein Drittel zugenommen, berichteten chinesische Forscher 2006 . [404]
    Die Folgen waren grausig und überall zu erkennen. Die zurückgehenden Ernteerträge und die Verschlechterung des Bodens zwangen zahlreiche Bauern in die Migration. Zuitou verlor die Hälfte seiner Bevölkerung. «Es dürfte eine der größten Verschwendungen menschlicher Arbeitskraft in der Geschichte gewesen sein», sagte mir Smil. «Zigmillionen Menschen mussten Tag und Nacht arbeiten, die meisten an Projekten, bei denen ein Kind hätte erkennen können, dass sie kompletter Blödsinn waren. Bäume abzuholzen und Getreide auf steilen Hängen anzupflanzen – wie sollte das klappen?» [405]
    Seit den 1960 er Jahren holzten die Bauern auf dem gesamten chinesischen Lössplateau den Wald ab und gruben Erdterrassen aus den Hügeln.
    Da der Löss leicht erodiert, führte jeder Regen zu Abtragungen des Erdreichs
    So ergab sich ständig die Notwendigkeit zur Instandhaltung. Schließlich brachen die Terrassen an den steilsten Hängen vollständig zusammen, und die Bauern mussten fortan versuchen, auf Hügeln, die fast zu steil waren, um auf ihnen zu stehen, genügend für ihren Lebensunterhalt anzubauen.
    In extremen Randlagen bauten die Bauern Mais an. Nördlich von Zuitou, am Rand der Wüste Gobi, ging ich an Feldern entlang, auf denen der Mais in fast reinem Sand wuchs. Bis in die sechziger Jahre hinein war die Region mit Dornbüschen bedeckt gewesen. Dann rief Mao zu aggressiver Bebauung auf. Es war so, als zwinge man Menschen, Landwirtschaft auf einem Sandstrand zu betreiben. Erstaunlicherweise hatten die Einheimischen dem Sand tatsächlich eine Ernte abgerungen – in kleinen gelben Haufen trockneten die Kolben auf Hausdächern und in kargen Gärten. Auf Karren, von winzigen chinesischen Motorrädern gezogen, wurden haushoch geschichtete Maispflanzen befördert. In dem leichten Wind war die Luft extrem sandig. Das Lössplateau, das einst den Staub aus der Wüste eingefangen hatte, produzierte ihn jetzt.
    Die Volksrepublik entwickelte Pläne zur Beendigung der Entwaldung. 1981 verlangte Peking von jedem gesunden Bürger über elf Jahren, überall dort, wo es möglich sei, «pro Jahr drei bis fünf Bäume zu pflanzen». Drei Jahre zuvor hatte Peking das weltweit wohl größte Umweltprogramm ins Leben gerufen, das «Drei-Norden-Projekt»: einen 4500 Kilometer langen Waldstreifen, der wie ein riesiger Schutzschirm den Norden, Nordosten und Nordwesten Chinas – einschließlich der Grenze des Lössplateaus – durchquerte. Diese Grüne Chinesische Mauer wird – so die Theorie – den Wind verlangsamen, der Desertifikation und Staubstürme auslöst. [406]
    Trotz ihres ambitionierten Anspruchs richteten sich diese Maßnahmen nicht unmittelbar gegen die Bodenzerstörung, die ein Vermächtnis von Dazhai war. Dagegen anzugehen war politisch schwierig: Es musste geschehen, ohne zuzugeben, dass Mao Fehler gemacht hatte – wenn ich lokale Funktionäre fragte, ob der Große Steuermann sich geirrt habe, wechselten sie höflich das Thema. Erst in den letzten zehn Jahren änderte Peking den Kurs.
    Heute nähern sich viele der Terrassen, die Zuitous Bauern aus dem Löss gegraben haben, wieder ihrem Naturzustand. In einem Verfahren, das die Einheimischen das « 3 – 3 – 3 -System» nennen, bepflanzen die Bauern ein Drittel des Landes – die abschüssigsten, erosionsgefährdetsten Hänge – mit Gras und Bäumen, also natürlichen Hemmnissen der Bodenabtragung, ein zweites Drittel mit Obstgärten. Das letzte Drittel, vorwiegend Felder auf dem Grund von Schluchten und Tälern, der durch frühere Erosion angereichert wurde, bebauen sie intensiv mit Nutzpflanzen. Indem die Bauern ihre begrenzten Düngemittel auf dieses Land konzentrieren, können sie ihre Erträge hinreichend steigern, um den Verlust der geopferten Flächen auszugleichen – so jedenfalls lautet die Theorie. Um den Bauern die Umstellung zu erleichtern, erhalten sie maximal acht Jahre lang eine Entschädigung in Form einer jährlichen Getreidelieferung und einer kleinen Geldsumme. 2010 erfasste das Programm die Taldörfer auf einem Gebiet von 150 000  Quadratkilometern, einer Fläche, die fast halb so groß ist wie die Bundesrepublik. [407]
    Auf den ersten Blick sieht es so aus, als wäre eine Diktatur ideal geeignet, um ein solches Vorhaben durchzuführen. Das Regime kann den Bewohnern des Lössplateaus einfach

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