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Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Titel: Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles C. Mann
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befehlen, anstelle von Hirse nur noch Mandelbäume zu pflanzen, ohne sich um Eigentumsrechte oder politische Proteste Gedanken machen zu müssen. Es kann ganze Dörfer veranlassen, in die Hügel zu steigen und Millionen von Schösslingen in kleine, wie Fischschuppen angeordnete Gruben zu pflanzen. Und wenn Bauern und Felder derart umgeschichtet sind, können die Planer stolz auf ihre Leistungen verweisen.
    Doch in der Praxis sieht es ganz anders aus. Provinz-, Bezirks- und Dorffunktionäre werden dafür belohnt, dass sie die im Plan vorgesehene Anzahl von Bäumen pflanzen lassen, und nicht dafür, dass sie Bäume aussuchen, die sich für die örtlichen Verhältnisse eignen – oder dass sie auf Wissenschaftler gehört haben, die sie warnten, dass Bäume auf Grasland nichts zu suchen haben. Bauern, die keinen direkten Vorteil aus ihrer Arbeit ziehen – sie pflanzen Bäume, die keine Früchte tragen, die nicht als Feuerholz geschlagen werden können und die erst Kilometer von ihrem Land entfernt angeblich die Erosion verhindern –, haben wenig Anreiz, sich um die Schösslinge zu kümmern, die sie zwangsweise setzen mussten. Das nur allzu vorhersagbare Ergebnis ist auf den Nebenstraßen von Shaanxi zu besichtigen: Felder mit toten Bäumen, jeder in einer schuppenförmigen Grube, säumen die Straßen kilometerweit. «Jedes Jahr pflanzen wir Bäume», sagen die Bauern, «aber keiner überlebt.»
    Bei meinem Besuch sah ich die toten Bäume, die die Hänge wie Umrissmarkierungen überzogen und sich in langen Reihen kilometerweit erstreckten. Die Ernte war vorüber, und die Bauern schickten sich an, den nächsten Versuch zu starten. Baum für Baum versuchte die Regierung, dieses ungewollte Vermächtnis des weltweiten Silberhandels zu beseitigen. [408]

Teil drei Europa in der Welt

Kapitel 6 Der agroindustrielle Komplex
    Kartoffelkriege
    Kartoffelpflanzen bilden fünflappige Blüten aus, die auf den Äckern wie große lila Sterne wiegen. Es heißt, Marie Antoinette habe sie so gemocht, dass sie sich die Blüten ins Haar gesteckt habe. Ihr Gemahl, Ludwig  XVI ., hat sie angeblich im Knopfloch getragen, womit er eine kurze Mode kreierte, die französische Aristokraten mit Kartoffelpflanzen auf ihrer Garderobe umherstolzieren ließ. Kartoffeln gehören zu den Nachtschattengewächsen, das heißt, sie sind mit Tomaten, Auberginen, Tabak, Paprika und Tollkirschen verwandt. Die Knollen sind keine Wurzeln, sondern veränderte Stiele, die Nährstoffe unterirdisch speichern; die Augen, aus denen neue Kartoffelpflanzen entstehen, sind Sprossknospen, die Stiele austreiben, an denen oberirdisch Blätter wachsen. Kartoffelfrüchte sehen wie große Kirschtomaten aus, sind aber voll Solanin, einem Gift, das zum Schutzsystem der Pflanze gehört – es verhindert, dass Schädlinge die Samen fressen. Heute wird der Samen von den Landwirten meist nicht mehr genutzt, sie zerschneiden lieber die Knolle und pflanzen die Stücke ein. Dass hier sprachliche Verwirrung herrscht, zeigt der Umstand, dass die zu diesem Zweck genutzten Knollen als Saatkartoffeln bezeichnet werden.
    Heute ist die Kartoffel die fünftwichtigste Nahrungspflanze der Welt und wird im Erntevolumen nur von Zuckerrohr, Weizen, Mais und Reis übertroffen. Ursprünglich stammt sie aus den Anden – und zwar nicht nur
Solanum tuberosum,
die Kartoffel, die wir in Supermärkten kaufen, sondern auch viele andere Sorten, die nur in Ecuador, Peru und Bolivien gegessen werden. Es gibt eine Vielzahl wilder Kartoffelsorten, die überall zu finden sind, von Argentinien bis in den Südwesten der USA . Trotz aller Ähnlichkeiten in Hinblick auf Name und Aussehen ist keine dieser Kartoffeln mit der Süßkartoffel verwandt, die einer ganz anderen botanischen Familie angehört. Die beiden sind lange Zeit verwechselt worden; das englische Wort für Kartoffel –
potato
 – wurde irrtümlich von
batata
abgeleitet, dem Taino-Namen für Süßkartoffeln, der zugleich der Ursprung ihres wissenschaftlichen Namens
Ipomoea batatas
ist. Dieses Durcheinander erboste den frühen englischen Botaniker John Gerard, der 1597 beklagte: «… diejenigen, [die] Pflanzen einfach Namen aufnötigen, haben entweder wenig Urteilsfähigkeit oder wenig Kenntnis von ihnen.» Um der Unklarheit ein für alle Mal ein Ende zu bereiten, verwendete Gerard in seinem
The Herball, or, Generall historie of plantes
die Bezeichnung «Virginia potato» für die gemeine Kartoffel, die nicht aus Virginia kommt, und «gemeine

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