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Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Titel: Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles C. Mann
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imperialistischen Politikern. Diese Landschaft mit ihren exotischen Bäumen hatten zahllose Hände an vielen Orten geschaffen, und sie war viel älter als fünfundvierzig Jahre.
    «Schmierenchemie»
    Im Mai 1526 besuchte Andrea Navagero, der venezianische Botschafter in Spanien, eine Vorführung in Sevilla, die für den König und seinen Hofstaat veranstaltet wurde. Sieben Jahre zuvor war Hernán Cortés ohne Ermächtigung der spanischen Krone in Mexiko eingefallen und hatte den Dreibund, das Aztekenreich, gestürzt. Der König und die Königin hatten entscheiden müssen, was mit ihren Millionen neuen Untertanen geschehen sollte. Einige meinten, sie müssten versklavt werden, weil sie einer unterlegenen Rasse angehörten; andere waren der Ansicht, man müsse sie zum Christentum bekehren und zu gleichberechtigten spanischen Bürgern machen. [490] Um die Intelligenz, die Fähigkeiten und das edle Auftreten der Dreibundvölker unter Beweis zu stellen, hatten Gegner der Sklaverei und die spanische Kirche eine Gruppe Indios nach Sevilla bringen lassen. Bei jener Veranstaltung, die der venezianische Botschafter besuchte, bildeten sie zwei Mannschaften und demonstrierten das mesoamerikanische Ballspiel
ullamaliztli
.
    Navagero war ein Mann von unersättlicher Neugier, der Klassiker der Dichtkunst und Wissenschaft übersetzte, eine Geschichte Venedigs schrieb und biologische Experimente durchführte. 1522 hatte er einen privaten botanischen Garten angelegt – einen der ersten auf dem Kontinent. Er war fasziniert von
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, einer Fertigkeit, die, wie ihm schien, mit der Kunst des Jonglierens zu vergleichen war. [491] Mannschaftssportarten waren im Römischen Reich gespielt worden, aber seither fast unbekannt in Europa; [492] bei
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versuchten zwei Teams, einen Ball durch Reifen an den entgegengesetzten Enden eines Spielfelds zu bugsieren – eine frühe Version des Fußballs, könnte man sagen, nur dass der Ball nie den Boden berühren und von den Spielern nur mit Hüfte, Brust und Oberschenkeln bewegt werden durfte. Ausgestattet mit gepolsterten Lendenschurzen und Handgelenkschützern, die wie dicke, fingerlose Handschuhe aussahen, trieben die Spieler einen faustgroßen Ball «mit solcher Geschicklichkeit hin und her, dass es ein prachtvolles Schauspiel war», berichtete Navagero, «wobei sie sich manchmal zu Boden warfen, um den Ball zurückzuspielen, und all das geschah mit großer Geschwindigkeit». [493]
    Europäer wie der deutsche Maler Christoph Weiditz waren fasziniert von den indigenen Ballspielern, die ihre Künste in den 1520 er Jahren in ganz Spanien vorführten – und von dem Kautschukball, dessen Beschaffenheit mit nichts zu vergleichen war, was man in Europa jemals gesehen hatte.
    So fasziniert wie von dem Ballspiel war Navagero auch von dem Ball selbst. Europäische Bälle waren in der Regel aus Leder genäht und mit Wolle oder Federn ausgestopft. Bei diesen war es ganz anders. Sie «sprangen ungeheuer hoch», sagte Navagero, und seien so heftig abgeprallt, wie er das noch nie gesehen habe. Die indianischen Bälle müssten aus «dem Mark eines über die Maßen leichten Holzes» gemacht sein. Ebenso verblüfft war Navageros Freund Pietro Martire d’Anghiera, der das Spiel etwa zur gleichen Zeit sah. Wenn die indianischen Bälle «den Boden berührten, sprangen sie mit schier unglaublichen Sätzen in die Luft», schrieb d’Anghiera. «Ich verstehe nicht, wie diese schweren Bälle so elastisch sein können.» [494]
    Dem königlichen Chronisten Gonzalo Fernández de Oviedo y Valdés erging es ganz ähnlich. In seiner
Historia general y natural de las Indias
( 1535 ) – der «Allgemeinen und naturkundlichen Geschichte der Westindischen Inseln» –, dem ersten offiziellen Bericht über Spaniens Beutezug auf dem amerikanischen Kontinent, versuchte er das Abprallen zu beschreiben, für das es bis dahin in der spanischen Sprache noch keinen Begriff gab: «Diese Bälle springen kräftiger empor als unsere hohlen Bälle – und zwar um ein Vielfaches kräftiger –, denn selbst wenn man sie nur aus der Hand zu Boden fallen lässt, springen sie weit über den Punkt hinaus nach oben, von dem sie fielen, und dann immer wieder und wieder, wobei sie wie von alleine an Höhe verlieren, wie hohle Bälle, halten aber länger aus.» Die Indianer würden das seltsame, elastische Material der Bälle durch die Mischung von «drei Wurzeln, Kräutern, Säften und die Kombination von noch mehr Dingen»

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