Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)
sie würden ihren Kindern nicht erlauben, auf die Felder zu laufen. Man muss kein fanatischer Anhänger der Biokost sein, um sich zu fragen, wohin ein System noch führen soll, das die Nahrungserzeugung in einen toxischen Prozess verwandelt. [487]
Schlimmer noch, viele Forscher glauben, dass die chemische Keule kontraproduktiv ist. Starke Pestizide töten nicht nur die Zielarten ab, sondern auch die Insekten, die deren natürliche Feinde sind. Wenn die Zielart resistent wird, hat sich ihre Situation häufig gebessert – alles, was ihre Entwicklung vorher eingeschränkt hat, ist verschwunden. Auf diese Weise könnten Insektizide paradoxerweise dazu beitragen, die Zahl der schädlichen Insekten zu erhöhen – es sei denn, die Farmer rücken ihnen mit immer mehr und stärkeren chemischen Waffen zu Leibe. Auch «Sekundärschädlinge» – Insekten, die zuvor durch eine der von den Insektiziden vernichteten Arten kontrolliert wurden – können von dieser Situation profitieren. Auch hier weiß die Industrie Rat: mehr Pestizide. «Es wird erwartet, dass in naher Zukunft zahlreiche neue chemische Stoffe auf dem Markt erscheinen», verkündete ein Forschungsteam 2008 im
American Journal of Potato Research
. Aber «es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass einer von ihnen den scheinbar endlosen Kreislauf von ‹Insektizid – Resistenz – neues Insektizid› durchbrechen wird, der so charakteristisch für den Kampf gegen den Kartoffelkäfer ist … Trotz aller wissenschaftlichen und technischen Fortschritte bleibt der Käfer auch weiterhin eine große Bedrohung für die Kartoffelerzeugung.» [488]
Auch die Kraut- und Knollenfäule ist zurückgekehrt. 1981 stellten Schweizer Forscher voller Entsetzen fest, dass der zweite Typ des Eipilzes
P. infestans
, der zuvor nur aus Mexiko bekannt war, den Weg nach Europa gefunden hatte. Der Erreger war jetzt zur «geschlechtlichen» Fortpflanzung fähig und besaß dadurch größere genetische Diversität – das heißt, mehr Ressourcen, um sich den chemischen Gegenmaßnahmen anzupassen. Eine ähnliche Entwicklung wurde in den Vereinigten Staaten beobachtet. In beiden Fällen waren die neuen Stämme virulenter und zeigten größere Resistenz gegen Metalaxyl, gegenwärtig das meistverwendete Pflanzenschutzmittel gegen die Fäule. Bislang ist noch kein wirksamer Ersatz entwickelt worden. Im Jahr 2009 , als ich das vorliegende Buch schrieb, vernichtete die Krautfäule die meisten Tomaten und Kartoffeln an der Ostküste der USA . Begünstigt von einem ungewöhnlich regnerischen Sommer, verwandelte sie alle Gärten in meiner Umgebung in Schlammwüsten. Auch in meinem Garten richtete sie die wenigen Tomaten, die noch nicht vom Regen ertränkt worden waren, zugrunde. Ob zu Recht oder Unrecht, einer meiner Nachbarn gab dem kolumbischen Austausch die Schuld daran. Er vertrat die Ansicht, die Krautfäule sei durch die Tomatensetzlinge eingeschleppt worden, die überall in Gartenzentren verkauft wurden. «Diese Tomaten kommen aus China», sagte er. [489]
Kapitel 7 Schwarzes Gold
Keine Vögel, keine Insekten
Es sah wie ein Wald aus, aber Ökologen hätten ihn wahrscheinlich nicht so genannt. Kilometerweit erstreckte er sich über die flachen Hügel vor dem Dorf Longyin Le an Chinas Südspitze, keine siebzig Kilometer von der laotischen Grenze entfernt. Gemessen am Lebensstandard des ländlichen Chinas war Longyin Le wohlhabend. Die Fenster hatten Vorhänge, die Mauern waren gestrichen. Auf den Dächern der Häuser, die die Straße säumten, waren Solaranlagen für Wasserboiler und Satellitenschüsseln aufgepflanzt. Am Rand des Dorfs fuhr das Taxi an Scheunen und Ställen vorbei, dann waren wir von Bäumen umgeben.
Sie waren ungefähr fünfzehn Meter hoch und sehr hübsch, wie ich fand, mit graugrün gesprenkeltem Astwerk und Blättern, die auf der einen Seite blass und auf der anderen glänzend und dunkelgrün waren. Alle gehörten sie einer einzigen Art an und waren gleich alt, wie man mir gesagt hatte – fünfundvierzig Jahre, plus minus eins. Sie waren nahezu gleichzeitig auf Geheiß der Regierung gepflanzt worden. Mit eindrucksvoller Gründlichkeit hatte man jedes andere mehr als knöchelhohe Gewächs beseitigt. Das Gelände wirkte wie ein Park, nur dass die Bäume, die in Reihen mit einem Abstand von rund zweieinhalb Metern gepflanzt worden waren, über unseren Köpfen ein fast geschlossenes Blätterdach bildeten. An jedem Stamm befand sich ein flacher spiralförmiger
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