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Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Titel: Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles C. Mann
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hatten. Da
H. brasiliensis
die kühleren Temperaturen auf den Hängen nicht verträgt, konzentrierten sich die Unternehmer auf eine andere Art,
Castilla
elastica
, die einen qualitativ schlechteren Kautschuk lieferte, den sogenannten
caucho
. Zwar zapften die Indianer
Castilla
-Bäume in Mittelamerika an – der Latex «tritt aus den
sajaduras
[flachen Schnitten, wie man sie beim Marinieren von Fleisch anbringt] am Baum aus», wie ein spanischer Beobachter 1574 schrieb –, aber nicht im Amazonasgebiet. Solche Einschnitte würden, so meinten die
caucheiros
, die
caucho
-Sammler, Krankheiten und Insekten einlassen, die
Castilla
rasch zum Absterben brachten. Statt den nutzlosen Versuch zu machen, die Bäume zu schützen, fällten die
caucheiros
sie einfach, schälten die Rinde ab und ließen den Latex in Löcher tropfen, die sie unter den umgestürzten Stämmen gruben. Manchmal ließen sich mehrere hundert Pfund Latex von einem einzigen Baum gewinnen, sodass die Menge den niedrigeren Preis des
caucho
wettmachte.

    Da die
caucheiros
die Bäume, von denen sie zapften, vernichteten, war es natürlich für sie entscheidend, als Erste in einem neuen Gebiet zu sein. Ihr Ziel war es, so viel Kautschuk wie möglich in denkbar kurzer Zeit zu gewinnen; jede Minute, die sie die Axt weglegten, war eine Minute, in der andere unersetzliche Bäume fällten. Arbeitertrupps verbrachten Wochen und Monate damit, durch schlammige Wälder und steiles Hügelland zu ziehen und schwere Lasten
caucho
aus den geplünderten Gebieten mit sich zu schleppen. Kaum jemand, der nicht aus dieser Region stammte, war bereit zu dieser mörderischen Arbeit in den Wäldern.
Caucheiros
hatten deshalb diejenigen im Visier, die dort bereits lebten – die Indios. Die Situation legte Missbrauch nahe – und es gibt immer Menschen, die solchen Verlockungen nachgeben. [520]
    Zu ihnen gehörte Carlos Fitzcarrald, Sohn eines Mannes, der nach Peru eingewandert war und seinen schwer auszusprechenden Namen in «Fitzgerald» abgeändert hatte. Ende der 1880 er Jahre begann Fitzcarrald Tausende von Indianern zur Arbeit in der
caucho-
Gewinnung zu zwingen. Der brasilianische Schriftsteller und Ingenieur Euclides da Cunha, der sich zu dieser Zeit als Vermesser am westlichen Amazonas aufhielt, hörte einmal, dass Fitzcarrald in ein Gebiet mit reichem
Castilla
-Bestand eingefallen sei, in dem die Mashco heimisch waren. An der Spitze einer Gruppe von Pistoleros trat der
caucheiro
dem Mashco-Häuptling gegenüber, berichtet da Cunha, «und zeigte ihm seine Waffen und Ausrüstung, sowie seine kleine Armee, in der sich die verschiedenen Physiognomien der bereits unterworfenen Stämme mischten. Dann versuchte er ihm die vorteilhaften Alternativen zu den misslichen Folgen einer desaströsen Schlacht vor Augen zu führen. Die einzige Reaktion des Mashco war die Frage, was für Pfeile Fitzcarrald bei sich habe. Lächelnd reichte der Eindringling ihm eine Patrone seiner Winchester. Der Indianer untersuchte sie lange Zeit, vollkommen in diese Prüfung vertieft. Er versuchte, sich mit der Patrone zu verwunden, indem er sie kreuz und quer über seine Brust zog. Dann nahm er einen seiner eigenen Pfeile, zerbrach ihn und stieß ihn sich in den Arm. Lächelnd und unempfänglich für den Schmerz, betrachtete er voller Stolz das Blut, das dort herausfloss. Ohne ein weiteres Wort wandte er dem Abenteurer den Rücken zu und kehrte mit der falschen Gewissheit einer Überlegenheit in sein Dorf zurück, die kurz darauf gründlich widerlegt werden sollte.
    Tatsächlich lagen eine halbe Stunde später etwa einhundert ermordete Mashco, einschließlich ihres widerspenstigen Häuptlings, hingestreckt an jenem Flussufer, das bis auf den heutigen Tag im Gedenken an diese blutige Episode den Namen Playa Mashco trägt.
    So unterwarfen sie sich diese wilde Region. Die
caucheiros
schritten mit fieberhafter Hast zur Tat. Sie plünderten die Umgebung, töteten oder versklavten alles, was in einem Umkreis von mehreren
league
lebte … Die
caucheiros
blieben, bis der letzte
caucho
-Baum gefallen war. Sie kamen, sie verwüsteten und sie zogen weiter.» [521]
    Noch brutaler war Julio César Arana. Der Sohn eines peruanischen Hutmachers schwang sich zum fast absoluten Herrscher über mehr als 57 000  Quadratkilometer am Oberlauf des Rio Putumayo auf, die damals sowohl von Peru als auch von Kolumbien beansprucht wurden. Kolumbien war in der Region zwar stärker präsent, wurde aber von einem Bürgerkrieg

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