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Kolyma

Kolyma

Titel: Kolyma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Rob Smith
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vermischten sich mit den KGBlern und der Miliz. Soja umklammerte den Arm eines Mannes und tat so, als sei sie vollkommen verängstigt. Malysch machte es ihr nach, und der mitfühlende Mann führte sie an den Beamten vorbei, die die drei für eine Familie hielten. Sobald sie frei waren, ließen Soja und Malysch die Arme des Mannes los und nahmen Reißaus.
    Sie liefen bis zum nächsten Gulli, zogen den Stahldeckel hoch und kletterten hinab ins Abwassersystem. Unten angekommen, riss Soja ein Stück Stoff von ihrem Hemd und bandagierte damit Malyschs blutenden Finger, bis er so dick war wie eine Wurst. Immer noch außer Atem, fingen sie an zu lachen.

Kolyma
    Gulag 57

    12. April

    Das Morgenlicht war so strahlend klar, wie Leo es noch nie gesehen hatte. Ein perfekter blauer Himmel und eine blütenweiße Hochebene. Er stand auf dem Dach der Verwaltungsbaracke und hielt sich die Überreste des Fernglases an die Augen, das er aus dem Feuer gerettet hatte. Nur noch eine der gesprungenen Linsen war zu gebrauchen. Wie ein Pirat am Bug eines Schiffes suchte Leo den Horizont ab und entdeckte am äußersten Rand der Ebene eine Bewegung. Dann erkannte er Lastwagen, Panzer und Zelte - ein Militärlager. Am Tag zuvor war die Regionalverwaltung von den brennenden Wachtürmen, diesen Leuchtfeuern des Widerstands, alarmiert worden und hatte über Nacht für ihre Gegenoffensive ein Feldlager für mindestens fünfhundert Soldaten errichtet. Denen waren die Sträflinge zwar nicht zahlenmäßig, wohl aber an Waffen weit unterlegen, denn alles, was sie gefunden hatten, waren zwei oder drei schwere Maschinengewehre, ein paar Patronengurte und eine Handvoll Gewehre und Handfeuerwaffen gewesen. Geschützen aller Art aber war das Lager schutzlos ausgeliefert, und der Stacheldrahtzaun bot gegen anrollende Panzerfahrzeuge ohnehin keine Abwehr. Leo beendete seine trübe Analyse der Lage und reichte Lasar das Fernglas.
    Eine ganze Anzahl von Gefangenen hatte sich auf dem Dach versammelt. Seit der Zerstörung der wachta war dies der höchste Aussichtspunkt im ganzen Lager. Neben Lasar und Georgi waren auch noch die anderen beiden Anführer und ihre engsten Anhänger zugegen, alles in allem zehn Mann.
    Der wory-Chef fragte Leo: »Du gehörst doch auch zu denen. Was machen die jetzt? Kann man mit denen verhandeln?«
    »Ja, aber man kann sich auf nichts verlassen, was sie sagen.«
    Der junge Häftlingsanführer trat vor. »Und was ist mit der Rede? Wie sind doch nicht mehr unter Stalins Knute. Unser Land hat sich geändert. Jetzt können wir auf unsere Lage aufmerksam machen. Man hat uns ungerecht behandelt. Viele Urteile müssen revidiert werden. Man sollte uns freilassen!«
    »Vielleicht zwingt die Rede sie sogar dazu, ernsthaft zu verhandeln. Aber von Moskau sind wir weit weg. Möglicherweise haben die Behörden in Kolyma beschlossen, diesen Aufruhr unter den Teppich zu kehren, weil sie verhindern wollen, dass liberalere Einflüsse aus Moskau hier Fuß fassen.«
    »Soll das heißen, die wollen uns umbringen?«
    »Der Aufstand bedroht ihre gesamte Existenz.«
    Von unten rief ein Gefangener: »Sie funken uns an.«
    Die auf dem Dach drängten sich um die Leiter und hatten es eilig, nach unten zu kommen.
    Leo stieg als Letzter langsam hinab. Schneller konnte er nicht. Sobald er die Knie beugte, verursachte es ihm heftige Schmerzen, weil die verletzte Haut angespannt wurde. Unten angekommen, war er schweißgebadet und außer Atem. Die anderen standen bereits vor dem Funkgerät.
    Ein Funkgerät war das einzige Kommunikationsmittel zwischen den einzelnen Lagern und der Basis in Magadan. Einer der Häftlinge, der sich ein wenig damit auskannte, hatte übernommen. Er trug einen Kopfhörer und wiederholte alles, was er verstand.
    »Regionaldirektor Abel Present... er will mit dem sprechen, der hier das Sagen hat.«
    Ohne weitere Diskussion nahm sich der junge Anführer das Mikrofon und fing an zu deklamieren: »Gulag 57 ist in der Hand der Gefangenen! Wir haben uns gegen die Wachmannschaft erhoben. Sie haben uns geschlagen und aus schierem Mutwillen getötet. Damit ist jetzt Schluss ...«
    Leo unterbrach ihn: »Erwähnen Sie, dass die Wachen am Leben sind.«
    Der Mann wedelte Leo beiseite und berauschte sich an der eigenen Wichtigkeit. »Wir stimmen vollkommen mit Chruschtschows Rede überein. In seinem Namen verlangen wir, dass der Fall jedes Häftlings neu aufgerollt wird. Wir verlangen, dass allen, denen Freiheit zusteht, auch Freiheit gewährt wird. Wir

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