Kolyma
Stimme war zwar unverändert, dennoch spürte Malysch die Gefahr.
Frajera stand auf. »Komm mit.«
Malysch folgte Frajera durch verschiedene Tunnel und Räume bis zu Sojas Zelle. Frajera schloss die Tür auf. Soja, die sie hatte kommen hören, stand in einer Ecke. In Malyschs Augen suchte sie nach einer Bestätigung dafür, dass hier etwas faul war. Frajera packte Soja am Handgelenk und zog sie zur Tür. Malysch wusste nicht, ob er gehorchen oder protestieren sollte. Noch bevor er sich entscheiden konnte, schlug Frajera die Tür zu und schloss ihn ein.
Am selben Tag
Nachdem sie von der Pazifikküste über die gesamte Sowjetunion hinweg bis in die Hauptstadt geflogen waren, schlug die Treibstoffanzeige der Iljuschin, auch wenn man dagegenklopfte, nicht mehr aus. Ihnen blieb nur ein Landeversuch. Außerdem hatte sich über ihnen ein Sturm zusammengebraut, das Flugzeug kämpfte sich durch bedrohliche schwarze Wolken. Lasar saß hinten und kaute in der gesunden Hälfte seines Mundes irgendein Gebäck. Leo hatte sich auf dem Kopilotensitz festgeschnallt und war darum bemüht, Konstantins Selbstvertrauen aufrechtzuerhalten. Die Maschine setzte zum Landeanflug an, ihr Ziel war der Militärflughafen Stupino am Rande Moskaus.
»Jetzt müsste ich doch eigentlich schon die Signalfeuer sehen?«, fragte Konstantin mit Panik in der Stimme.
Als sie unten aus der Wolke herausflogen, sahen sie die Feuer nicht etwa weit voraus, sondern direkt unter sich. Sie flogen zu hoch. Konstantin geriet in Panik und neigte die Nase in halsbrecherischem Winkel weiter nach unten. Verzweifelt steuerte er gegen, zog die Maschine gerade noch rechtzeitig wieder hoch und landete mit durchhängendem Heck auf dem Rollfeld. Die Räder setzten krachend auf und brachen nach wenigen Drehungen ab. Die eisernen Stümpfe schrammten über die Fahrbahn und rissen die Maschine auf, als hätte jemand einen Reißverschluss gezogen. Eine Tragflächenspitze berührte den Boden, worauf das ausgeweidete Flugzeug sich auf seinem zerrissenen Bauch um hundertachtzig Grad drehte und schlingernd über das Ende der Rollbahn hinausschoss, wo die Propeller sich in die Erde gruben.
Benommen und mit blutender Stirn schnallte Leo sich los und drückte die Tür der Kanzel auf. Die ganze Kabine war mitten entzweigerissen. Lasar hatte überlebt, er befand sich in der anderen Hälfte der zerstörten Maschine, die noch intakte Außenhaut umgab ihn wie einen Heiligenschein. Der junge Pilot, der immer noch in seinem Sitz saß, fing plötzlich hysterisch an zu kichern und führte sich vor Begeisterung auf wie verrückt. Durch das zerborstene Fenster klatschte ihm der Regen ins Gesicht.
Leo glaubte nicht, dass das Flugzeug in Brand geraten würde. Sie hatten ja keinen Treibstoff mehr, und die rauchenden Triebwerke würde der heftige Regen schon löschen. Da er den Piloten gefahrlos zurücklassen konnte, half er Lasar aus dem zerrissenen Mittelteil der Maschine, kraxelte mit ihm durch das Wrack und kletterte über die Reste der Tragfläche auf die morastige Erde.
Feuerwehrfahrzeuge rasten auf sie zu, gefolgt von Rettungswagen. Medizinische Versorgung allerdings wehrte Leo ab. »Uns fehlt nichts.«
Jetzt war er Lasars Stimme. Gleichzeitig entstiegen Frol Panin und sein Leibwächter, der einen Regenschirm über seinem Vorgesetzten aufspannte, einer luxuriösen Limousine.
Panin streckte Lasar die Hand hin. »Ich heiße Frol Panin. Es tut mir leid, dass ich Ihnen die Freiheit nicht auf angenehmere Weise ermöglichen konnte. Aber die Taten Ihrer Frau haben eine offizielle Freilassung unmöglich gemacht. Kommen Sie, wir müssen uns beeilen. Wir können im Wagen weiterreden.«
Im Fond der Limousine bestaunte Lasar die weichen Lederpolster und das Armaturenbrett aus Walnussholz mit geradezu kindlicher Faszination. In einem kleinen silbernen Behälter lagen Eiswürfel, außerdem gab es eine Schale mit frischem Obst. Lasar nahm sich eine Orange, schloss seine Finger darum und drückte daran herum. Höflich ignorierte Panin dieses Verhalten, die Fassungslosigkeit eines Häftlings angesichts dieses Luxus. Er reichte Leo einen Moskauer Stadtplan. »Das ist alles, was wir von Frajera bekommen haben.«
Leo studierte die Karte. In der Mitte war mit Tinte eine Stelle mit einem Kruzifix markiert. »Was ist da?«
»Wir konnten nichts finden.«
Der Wagen setzte sich in Bewegung.
»Wo ist Raisa?«
»Ich habe eben mit ihr gesprochen. Sie wollte auf den Wagen warten. Als der dann ankam, stellte
Weitere Kostenlose Bücher