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Kolyma

Kolyma

Titel: Kolyma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Rob Smith
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Stunden wird er in der Stadt sein. Lasar ist bei ihm.«
    »Haben Sie schon Kontakt zu Frajera gehabt?«
    »Ja. Wir warten auf Instruktionen für den Austausch. Möchten Sie Leo am Flughafen abholen?«
    »Natürlich.«
    »Ich lasse Ihnen einen Wagen schicken, sobald das Flugzeug anfliegt. Wir haben es fast geschafft, Raisa. Bald haben wir sie.«
    Raisa hängte ein. Sie blieb am Telefon und dachte über diese Worte nach. Panin sprach davon, Frajera zu schnappen. Es ging ihm nicht um ihre Tochter. Obwohl Panin so viel Charme hatte, folgte Raisa doch Leos Einschätzung seines Charakters: Er hatte etwas Kaltes an sich.
    Elena stand im Flur. Raisa streckte ihr die Hand hin. Elena machte einen Schritt vor. Raisa schob sie in die Küche und setzte sie an den Tisch. Auf dem Herd machte sie Milch heiß und schüttete sie in einen Becher, den sie vor Elena hinstellte.
    »Kommt Soja heute Abend nach Hause?«
    »Ja.«
    Elena griff sich den Becher und nahm zufrieden einen großen Schluck.
    Raisa blieb keine Zeit mehr, noch lange über Frajeras Angebot nachzudenken. An Leos Plan glaubte sie nicht mehr. Nachdem sie Frajera nun selbst kennengelernt und ihre Wut erlebt hatte, war es Unsinn, damit zu rechnen, dass sie Soja je wieder freilassen und Leo damit auch noch zum Helden machen würde. Durch diesen Gefangenenaustausch würde er alles erreichen, was Frajera ihm unter allen Umständen verwehren wollte: eine Tochter, Glück und eine wiedervereinte Familie. Frajeras Versprechen war gelogen und dass Leo daran glaubte, naiv. Soja schwebte in Gefahr, und Leo war nicht derjenige, der sie retten konnte.
    Raisa öffnete eine Schublade und holte eine lange rote Kerze hervor. Sie stellte sie auf die Fensterbank, sodass man sie von der Straße aus gut sehen konnte. Dann entzündete sie ein Streichholz und machte sie an.
    »Was tust du da?«, fragte Elena.
    »Ich zünde eine Kerze an, damit Soja leichter nach Hause findet.« Raisa warf einen verstohlenen Blick auf die Straße. Das Signal war gegeben. Sie würde Frajeras Angebot annehmen. Sie würde Leo verlassen.

    Am selben Tag

    Malysch saß auf einem Mauervorsprung und horchte auf die vorbeirauschenden Abwässer. Vor zwei Monaten war seine Welt noch in Ordnung gewesen. Jetzt war er vollkommen durcheinander. Es gab jemanden, der ihn mochte. Und nicht etwa, weil er mit dem Messer umgehen konnte, nicht, weil er zu gebrauchen war, sondern dieser Mensch mochte ihn, weil ... Malysch wusste selbst nicht, warum. Was fand Soja an ihm? Bisher hatte ihn doch auch niemand gemocht? Das war doch nicht logisch. Ohne Grund hatte sie ihm das Leben gerettet. Als sie die Gelegenheit gehabt hatte zu fliehen, hatte sie diese nicht nur verstreichen lassen, sondern sogar noch ihr Leben für ihn riskiert.
    Frajera kam und setzte sich neben ihn. Gemeinsam ließen sie die Beine baumeln wie Freunde an einem Flussufer, nur dass hier nicht Fische und Blätter unter ihren Füßen vorbeischwammen, sondern der Dreck der Stadt. »Warum versteckst du dich hier?«
    Malysch wollte eigentlich bockig schweigen, aber nicht zu antworten war eine unverzeihliche Beleidigung. Deshalb murmelte er: »Mir geht es nicht gut.«
    Zu seiner Überraschung lachte Frajera. »Vor zwei Monaten hättest du dieses Mädchen noch einfach getötet, ohne weiter darüber nachzudenken.«
    Sie legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Ich muss wissen, ob du wirklich ohne Zögern alles tun würdest, was ich dir befehle.«
    »Ich habe dir immer gehorcht.«
    »Du hast auch noch nie etwas tun sollen, was du nicht tun wolltest.«
    Dagegen konnte Malysch nichts sagen. Es stimmte. Er hatte noch nie eine andere Meinung gehabt, bis heute. Sie hatte ihn mit Soja zusammengespannt, um ihm auf den Zahn zu fühlen. Sie hatte ihm ein Verhältnis zu Soja aufgezwungen, um daran dann sein Verhältnis zu ihr selbst zu messen.
    »Malysch, während meiner Zeit im Gulag habe ich einmal von einem tschetschenischen Gefangenen eine Geschichte gehört. Sie stammt aus dem Narten-Mythos und handelt von einem Helden namens Soslan. Bei den Narten ist es Brauch, dass sie nicht nur gegen sie selbst begangene Taten rächen, sondern auch solche gegen ihre Familie oder ihre Vorfahren, ganz gleich, wie lange das Vergehen zurückliegt. Streitigkeiten können sich über Hunderte von Jahren hinziehen. Soslan hatte sein ganzes Leben lang Rache gesucht. Wenn du erst erwachsen bist, Malysch, dann brauchst du einen neuen Namen. Ich hatte immer gehofft, du würdest dann Soslan heißen.«
    Ihre

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