Kolyma
zu diskutieren.
Nikolai drückte die Schlafzimmertür auf und stierte hinab auf seine Frau. Sie lag schlafend auf ihrer Seite des Bettes, die Hände hatte sie unter den Kopf geschoben. Wie wunderschön sie war. Er vergötterte sie. Sie lebten ein perfektes, privilegiertes Leben. Sie hatten zwei wunderbare, glückliche Töchter. Seine Frau hatte nie irgendeine Demütigung erlebt, nie eine Schande. Sie kannte Nikolai nur in der Rolle des liebenden Ehegatten, eines sanftmütigen Mannes, der für seine Familie gestorben wäre. Er setzte sich aufs Bett und strich ihr mit einem Finger über den blassen Arm. Er würde nicht damit leben können, dass sie die Wahrheit erfuhr, anders von ihm dachte, sich von ihm zurückzog, ihm Fragen stellte oder - schlimmer noch - schwieg. Ihr Schweigen wäre unerträglich. All ihre Freundinnen würden ihr Fragen stellen. Man würde den Stab über sie brechen. Wie viel wusste sie? Hatte sie es schon immer gewusst? Es war besser, wenn er ihre Schande nicht mehr miterlebte. Es war besser, wenn er jetzt starb.
Nur ändern würde sein Tod nichts. Sie würde es trotzdem herausfinden. Sie würde aufwachen, seine Leiche entdecken, ihn beweinen und betrauern. Dann würde sie die Rede lesen. Zwar würde sie zu seiner Beerdigung kommen, sich aber fragen, was er alles getan hatte. Sie würde Momente ihrer Zweisamkeit neu bedenken - als er sie berührt hatte, als sie miteinander geschlafen hatten. Hatte er da erst ein paar Stunden vorher jemanden umgebracht? War ihr Heim mit Blut erkauft? Vielleicht würde sie am Ende sogar denken, dass er den Tod verdient hatte und sein Selbstmord das einzig Richtige gewesen war, nicht nur für sich selbst, sondern auch für ihre Töchter.
Nikolai griff nach dem Kissen. Seine Frau war kräftig und würde sich wehren, aber obwohl er außer Form war, traute er sich doch zu, sie zu überwältigen. Vorsichtig stellte er sich vor sie hin, und sie wandte sich ihm zu. Sie spürte die Nähe seines Körpers und freute sich bestimmt, dass er nach Hause gekommen war. Sie rollte sich auf den Rücken und lächelte ihn an. Er konnte ihr nicht mehr ins Gesicht sehen. Jetzt rasch handeln, bevor er die Nerven verlor. Schnell drückte er das Kissen hinunter, er wollte nicht mehr sehen müssen, wie sie die Augen öffnete. Er drückte so fest er nur konnte. Sofort griff sie nach dem Kissen, griff nach seinen Handgelenken. Sie kratzte, aber es half ihr nichts, er ließ nicht locker, und sie konnte sich nicht befreien. Anstatt seinen Griff zu lockern, versuchte sie jetzt, sich unter ihm hinauszuwinden. Er setzte sich auf sie und klemmte ihre Taille mit den Beinen fest, sodass sie sich nicht mehr rühren konnte. Dabei drückte er weiter mit dem Kissen zu. Sie war hilflos unter ihm gefangen und wurde schwächer. Ihre Hände kratzten nicht mehr, sondern hielten nur noch seine Handgelenke umklammert, dann erschlafften sie und sanken neben ihr hin.
Er blieb weiter auf ihr sitzen und drückte noch ein paar Minuten mit dem Kissen zu, obwohl sie sich schon nicht mehr rührte. Endlich richtete er sich auf und ließ los. Das Kissen ließ er auf ihrem Gesicht liegen, er wollte sich den Anblick ihrer blutunterlaufenen Augen ersparen. Ihre Augen waren immer so voller Liebe gewesen, und so wollte er sich an sie erinnern. Er schob die Hand unter das Kissen, um ihre Augenlider zu schließen. Seine Fingerspitzen glitten über ihr Gesicht, immer näher, und schließlich berührte er die ein wenig klebrige Oberfläche einer Pupille. Vorsichtig schloss er ihre Augenlider, dann hob er das Kissen hoch und sah sie an. Ganz friedlich lag sie da. Nikolai legte sich neben sie und legte ihr den Arm um die Taille.
Er war so erschöpft, dass er beinahe eingeschlafen wäre. Er schüttelte sich selbst wach. Er war noch nicht fertig. Also stand er auf, zog die Bettlaken glatt, nahm das Kissen und ging hinaus ins Wohnzimmer und von dort in das Schlafzimmer seiner Töchter.
Am selben Tag
Soja und Elena schliefen. Leo konnte hören, wie sie ein- und ausatmeten. Vorsichtig schloss er die Tür und versuchte seine Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen. Er durfte einfach nicht als Vater versagen. Sollten sie das Morddezernat schließen, sollten sie ihn seiner Privilegien berauben, aber es musste einen Weg geben, wie er seine Familie retten konnte. Das war das Einzige, was zählte. Und trotz ihrer Probleme war er überzeugt, dass diese Familie für sie alle immer noch das Beste war. Er konnte sich einfach nicht
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