Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)
ständigen Verwirrung wegen nicht sehr weitreichenden, dafür umso konkreteren Fragen. Zum Beispiel, wie man einem norwegischen Sexualstraftäter einen guten Anwalt besorgte oder ihn sogar ausgeliefert bekam, um ihn in einem norwegischen Gefängnis mit dem Standard eines Drei-Sterne-Hotels unterzubringen.
Ebenso plötzlich, wie er begonnen hatte, hörte der Regen auch wieder auf, und sie rollten durch Wolken aus Wasserdampf, die sich von dem heißen Asphalt erhoben.
»Was hat dieser Herrem noch mal gesagt?«, fragte der Botschaftssekretär.
»Valentin«, sagte Kari.
»Nein, das andere.«
»Das war undeutlich. Ein langes Wort, hörte sich irgendwie an wie Kommode.«
»Kommode?«
»Ja, so in etwa.«
Kari starrte auf die Reihen der Gummibäume entlang der Autobahn. Sie wollte nach Hause. Ganz nach Hause.
Kapitel 23
H arry hastete über den Flur der Polizeihochschule, vorbei an der Frans-Widerberg-Malerei.
Sie stand in der Tür des Trainingsraums. Kampfbereit in einem engsitzenden Gymnastikanzug. Lehnte mit verschränkten Armen am Türrahmen und beobachtete ihn. Harry wollte nicken, aber jemand rief »Silje!«, und sie verschwand nach drinnen.
In der zweiten Etage steckte Harry den Kopf zu Arnold hinein.
»Wie lief die Vorlesung?«
»Einigermaßen, aber ich glaube, die vermissen deine ebenso schauderhaften wie irrelevanten Beispiele aus der sogenannten wirklichen Welt«, sagte Arnold und massierte sich weiter seinen schmerzenden Fuß.
»Wie auch immer, ich bin froh, dass du mir das heute abgenommen hast«, sagte Harry mit einem Lächeln.
»Nichts zu danken. Was war denn so wichtig?«
»Ich musste in die Rechtsmedizin. Die diensthabende Rechtsmedizinerin hat eingewilligt, Rudolf Asajev zu exhumieren und eine zweite Obduktion vorzunehmen. Ich habe deine FBI -Statistik über die toten Zeugen ins Spiel gebracht.«
»Freut mich, dass ich dir helfen konnte. Du hast übrigens schon wieder Besuch.«
»Aber nicht …«
»Nein, weder Fräulein Gravseng noch einer deiner früheren Kollegen. Ich habe gesagt, dass er in deinem Büro warten kann.«
»Wer …?«
»Einer, den du kennst, glaube ich. Ich habe ihm einen Kaffee angeboten.«
Harry begegnete Arnolds Blick, nickte kurz und ging.
Der Mann, der in Harrys Büro auf dem Stuhl saß, hatte sich nicht sonderlich verändert. Vielleicht ein bisschen mehr Fleisch auf den Rippen, ein runderes Gesicht und ein paar graue Haare an den Schläfen. Aber er hatte noch immer die jugendliche Tolle, die zu dem Zusatz junior passte. Sein Anzug sah aus, als hätte er ihn geliehen, aber er war in der Lage, eine Seite in vier Sekunden zu lesen und wenn nötig vor Gericht Wort für Wort wiederzugeben. Johan Krohn war so etwas wie die juristische Antwort auf Beate Lønn, ein Anwalt, der nie verlor, selbst wenn er gegen das norwegische Gesetzbuch antrat.
»Harry Hole«, sagte er mit hoher, jungenhafter Stimme, erhob sich und streckte ihm die Hand entgegen. »Long time.«
»Mir recht«, sagte Harry, schlug ein und drückte ihm seinen Titanfinger in die Handfläche. »Sie haben immer schlechte Nachrichten bedeutet, Krohn. Ist der Kaffee gut?«
Krohn erwiderte seinen Händedruck. Die neuen Kilos schienen Muskeln zu sein.
»Ihr Kaffee ist gut«, sagte er. »Meine Neuigkeiten sind wie üblich schlecht.«
»Oh?«
»Normalerweise komme ich nicht persönlich, aber in diesem Fall wollte ich ein Vieraugengespräch, bevor wir möglicherweise etwas Schriftliches aufsetzen. Es geht um Silje Gravseng. Sie ist eine Studentin von Ihnen?«
»Eine Studentin von mir«, wiederholte Harry.
»Stimmt das nicht?«
»Doch, schon. Es hat sich bei Ihnen nur so angehört, als studierte sie mich.«
»Ich werde mein Bestes tun, um mich so präzise wie nur möglich auszudrücken«, sagte Krohn und spitzte die Lippen, bevor er lächelte. »Sie ist direkt zu mir gekommen, statt zur Polizei zu gehen. Aus Furcht, sie könnten sich gegenseitig in Schutz nehmen.«
»Sie?«
»Die Polizei.«
»Ich gehöre nicht …«
»Sie waren lange bei der Polizei und als Angestellter der PHS sind Sie ein Teil des Systems. Der Punkt ist, dass sie Angst davor hatte, man könnte sie zu überreden versuchen, die Vergewaltigung nicht anzuzeigen. Und dass es auf lange Sicht ihrer Karriere schaden würde, wenn sie sich widersetzte.«
»Von was reden Sie, Krohn?«
»Bin ich wirklich noch immer undeutlich? Dann lassen Sie mich Klartext reden: Sie haben Silje Gravseng gestern hier in diesem Büro vergewaltigt, kurz vor
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