Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)
schaden können, wenn Sie damit an die Öffentlichkeit gingen, ihr Verhalten würde nur Verständnis wecken.«
»Während ich als Schuldiger dastehen würde, weil ich in eine solche Abmachung eingewilligt habe.«
»Betrachten Sie es als Schadensbegrenzung, Hole. Ein Mann mit Ihrem Hintergrund kann leicht die Branche wechseln. Versicherungsdetektiv, zum Beispiel. Und ich glaube, die zahlen auch besser als die hier an der PHS .«
»Da haben Sie sicher recht.«
»Gut.« Krohn klappte sein Handy auf. »Was sagt Ihr Kalender für die nächsten Tage?«
»Ich kann morgen, wenn es sein muss.«
»Gut. Zwei Uhr bei mir im Büro. Sie erinnern sich noch an die Adresse?«
Harry nickte.
»Wunderbar. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag, Hole!«
Krohn sprang von seinem Stuhl auf. Kniebeugen, Pull-ups und Bankdrücken, tippte Harry.
Als er gegangen war, sah Harry auf die Uhr. Es war Donnerstag, und Rakel wollte an diesem Wochenende einen Tag eher kommen. Sie landete um 17.30 Uhr, und er hatte ihr angeboten, sie am Flughafen abzuholen, was sie – wie immer nach zwei »Nein, das brauchst du nicht« – gerne angenommen hatte. Er wusste, dass sie diese Dreiviertelstunde vom Flughafen nach Hause genoss. Das miteinander Reden und die Ruhe. Der Auftakt zu einem schönen Abend. Wenn sie voller Enthusiasmus darüber diskutierten, was es in Wirklichkeit bedeutete, dass nur Staaten Partner des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag sein konnten, oder über die rechtliche und faktische Macht der UNO , während draußen die Landschaft still vorbeizog. Und manchmal redeten sie auch über Oleg, der mit jedem Tag besser aussah und langsam wieder der gute alte Oleg wurde. Er machte Pläne. Wollte studieren. Jura und PHS . Was für ein Glück sie gehabt hatten und wie zerbrechlich so ein Glück war.
Sie redeten über alles, was ihnen in den Sinn kam, ohne irgendwelche Ausflüchte. Über fast alles. Fast. Denn Harry redete nie über seine Angst. Die Angst, etwas zu versprechen, von dem er nicht wusste, ob er es halten konnte. Die Angst, nicht der für sie sein zu können, der er sein wollte und musste. Oder dass sie vielleicht nicht so sein könnten, wie sie es für ihn sein mussten, und dass er gar nicht wusste, wie ihn jemand glücklich machen konnte.
Dass er es jetzt war, zusammen mit ihr und Oleg, war fast eine Art Ausnahmezustand, etwas, an das er nur mit halbem Herzen glaubte, ein verdächtig schöner Traum, aus dem er die ganze Zeit über aufzuwachen fürchtete.
Harry rieb sich das Gesicht. Vielleicht stand dieses Aufwachen bald bevor. Das brutal grelle Tageslicht. Die Wirklichkeit. In der alles so sein würde wie vorher. Kalt, hart und einsam. Harry schüttelte sich.
Katrine Bratt sah auf die Uhr. Zehn nach neun. Draußen war jetzt vielleicht ein überraschend milder Frühlingsabend. Drinnen im Heizungsraum nur ein kühler, feuchter Winterabend. Sie sah zu Bjørn Holm hinüber, der sich seinen roten Backenbart kratzte. Dann zu Ståle Aune, der etwas auf seinen Block kritzelte. Beate Lønn unterdrückte ein Gähnen. Sie saßen um einen PC herum, dessen Bildschirm die Bilder zeigte, die Beate von der Straßenbahnscheibe gemacht hatte. Sie hatten sich über das ausgetauscht, was an der Scheibe stand, und waren zu dem Schluss gekommen, dass sie Valentin dadurch nicht näher kamen, selbst wenn sie verstanden, was die Zeichen bedeuteten.
Katrine hatte ihnen noch einmal von dem Gefühl berichtet, dass sich zeitgleich mit ihr noch eine andere Person in der Asservatenkammer aufgehalten hatte.
»Vielleicht jemand, der da arbeitet«, sagte Bjørn. »Aber okay, es ist schon seltsam, dass der kein Licht angemacht hat.«
»Den Schlüssel für die Kammer kann man leicht nachmachen«, sagte Katrine.
»Vielleicht sind das gar keine Buchstaben«, sagte Beate, »sondern Zahlen.«
Sie wandten sich ihr zu. Sie hatte den Blick noch immer auf den Bildschirm gerichtet.
»Einsen und Nullen. Keine Is und Os. Wie ein binärer Code. Ist es nicht so, dass eine Eins ja und eine Null nein bedeutet, Katrine?«
»Ich bin User, nicht Programmierer«, sagte Katrine. »Aber ich glaube schon. Man hat mir mal erzählt, dass bei einer Eins Strom fließt und bei einer Null nicht.«
»Eins bedeutet handeln, Null nichts tun«, sagte Beate. »Soll ich, soll ich nicht. Soll ich, soll ich nicht. Eins. Null. Wieder und wieder.«
»Wie eine Margerite«, sagte Bjørn.
Sie saßen schweigend da, nur das Rauschen des PC -Ventilators war zu hören.
»Die Matrix
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