Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)
als der Alte zusammenzuckte und sich kerzengerade aufrichtete, als hätte ihm jemand den Lauf einer Pistole in den Rücken gedrückt.
Truls’ Stimme. »Danke, dann machen wir das so.«
»Berentzen vom Dezernat für Organisierte Kriminalität? Orgkrim, das ist doch richtig, oder?«
»Korrekt.«
»Danke, Berentzen. Sie machen gute Arbeit.«
Mikael drückte auf die Stopptaste.
Der Alte drehte sich langsam um. Sein Gesicht war kreidebleich geworden. Leichenblass, dachte Mikael Bellman. Eigentlich die kleidsamste Farbe für zum Tode Verurteile. Der Mund des Mannes bewegte sich ein paarmal.
»Sie wollen fragen«, begann Mikael Bellman, »was das ist? Die Antwort lautet: Das ist der ehemalige Polizeipräsident, der einen Beamten nötigt, alles zu tun, damit sein Sohn nicht wie alle anderen Einwohner dieses Landes in eine Ermittlung hineingezogen wird, mit allen juristischen Konsequenzen.«
Die Stimme des Alten klang wie ein Wüstenwind: »Er war nicht einmal da. Ich habe mit Sondre gesprochen. Sein Wagen ist seit Mai in der Werkstatt, weil der Motor gebrannt hat. Er kann nicht da gewesen sein.«
»Ganz schön bitter, nicht wahr?«, fragte Mikael. »Wenn die Presse und der Senat erfahren, dass Sie versucht haben, einen Polizisten zu korrumpieren, wobei das gar nicht notwendig gewesen wäre, um Ihren Sohn zu retten.«
»Es gibt keine Fotos von dem Auto und dieser Prostituierten, oder?«
»Jetzt jedenfalls nicht mehr. Sie haben ja den Befehl gegeben, alles zu vernichten. Doch wer weiß, vielleicht sind die Bilder ja schon vor dem Mai aufgenommen worden?« Mikael grinste. Er wollte das eigentlich gar nicht, konnte aber nicht anders.
Die Farbe kehrte in das Gesicht des Alten zurück, und auch seine Stimme klang mit einem Mal tiefer und fester: »Und Sie bilden sich ein, damit durchzukommen, Bellman?«
»Das weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass der Senat keinen Bedarf an einem nachweislich korrupten Mann als Polizeipräsidenten hat.«
»Was wollen Sie, Bellman?«
»Fragen Sie sich lieber, was Sie wollen. Ein Leben in Ruhe und Frieden mit dem Ruf, ein guter, ehrlicher Polizist gewesen zu sein? Ja? Sie werden sehen, dass wir gar nicht so unterschiedlich sind, denn das will ich auch. Ich will meine Arbeit als Polizeipräsident in Ruhe und Frieden verrichten, ich will diese Polizistenmorde aufklären, ohne dass ein Scheißsenat mir alles kaputtmacht. Schließlich will ich auch einmal den Ruf haben, ein guter Polizist gewesen zu sein. Also, wie erreichen wir beide das?«
Bellman wartete, bis er sich sicher war, dass der Alte sich genug gesammelt hatte, um auch den Rest zu verstehen.
»Ich will, dass Sie dem Senat sagen, dass Sie sich gründlich mit dem Fall auseinandergesetzt haben und so beeindruckt von der professionellen Vorgehensweise der Polizei sind, dass Sie keinen Sinn darin sehen, vorübergehend wieder die Leitung zu übernehmen, dass Sie sogar im Gegenteil befürchten, die Ermittlungen dadurch nur zu verzögern. Und dass Sie ernsthaft an dem Urteilsvermögen der Sozialsenatorin zweifeln, die diesen Vorschlag gemacht hat. Sie scheint Panik bekommen zu haben, dabei sollte sie doch wohl wissen, dass Polizeiarbeit methodisch und weitsichtig sein muss. Natürlich stehen wir alle unter Druck, aber man sollte an politische wie fachliche Vorgesetzte den Anspruch stellen können, in Situationen, in denen es darauf ankommt, nicht den Kopf zu verlieren. Sie bestehen deshalb darauf, dass der amtierende Polizeipräsident seine Arbeit ohne Einmischung von außen fortsetzen kann, da man Ihrer Meinung nach so die besten Resultate erzielt. Und dass Sie deshalb Ihre Kandidatur zurückziehen.«
Bellman zog einen Umschlag aus der Innentasche seiner Jacke und schob ihn über den Tisch.
»Das ist in Kürze das, was in diesem Brief steht, er ist an den Vorsitzenden des Senats persönlich gerichtet. Sie brauchen nur noch zu unterschreiben und den Brief abzuschicken. Wie Sie sehen, ist der Umschlag bereits frankiert. Sie erhalten natürlich diesen MP 3-Player, sobald ich vom Senat über Ihren Entschluss informiert werde.«
Bellman nickte in Richtung der Tassen.
»Wie sieht es aus, kriegen wir jetzt einen Kaffee?«
Harry trank einen Schluck Kaffee und blickte über seine Stadt.
Die Kantine des Polizeipräsidiums lag in der obersten Etage. Von dort hatte man Aussicht auf den Ekeberg, den Fjord und den neuen Stadtteil, der in Bjørvika entstand. Aber sein Blick ging zuerst zu den alten Landmarken. Wie oft hatte er in seinen
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