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Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)

Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)

Titel: Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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eingedrungen war und der zersplitterte Wangenknochen herausragte. Auf dem leuchtend weißen Knochen war ein schwarzer Fleck. Er nahm das Vergrößerungsglas. Es sah aus wie Karies, aber im Wangenknochen bekam man doch keine Löcher. Ein Ölfleck von dem kaputten Auto? Ein Stück von einem verfaulten Blatt oder angetrockneter Schlamm aus dem Fluss? Er warf einen Blick in den Obduktionsbericht.
    Fand, was er suchte.
    Schwarzer Lacksplitter am Maxillaris. Herkunft unbekannt.
    Lack am Wangenknochen. Die Rechtsmediziner schrieben in der Regel nicht mehr, als sie sicher nachweisen konnten. Manchmal eher weniger.
    Bjørn blätterte weiter durch die Bilder, bis er das Auto fand. Rot. Also kein Autolack.
    Bjørn rief seinen Kollegen: »Kim Erik!«
    Sechs Sekunden später tauchte ein Kopf in der Tür auf. »Hast du mich gerufen?«
    »Ja, du warst doch beim Mittet-Mord in Drammen. Habt ihr da irgendwie schwarzen Lack gefunden?«
    »Lack?«
    »Ja, etwas, das von einer Schlagwaffe stammen könnte, wenn man so schlägt …«
    Bjørn hob zur Illustration den rechten Arm wie bei einem Stein-Schere-Papier-Duell. »Die Haut ist aufgeplatzt und der Wangenknochen guckt raus, aber du schlägst weiter auf die Knochensplitter, und von dem Ding, mit dem du schlägst, platzt Lack ab.«
    »Nein.«
    »Okay, danke.«
    Bjørn Holm nahm den Deckel von der anderen Box. In ihr waren die Fundsachen vom Mittet-Fall. Er bemerkte, dass der junge Kriminaltechniker noch immer in der Tür stand.
    »Ja?«, fragte Bjørn, ohne aufzublicken.
    »Er war marineblau.«
    »Was?«
    »Der Lack. Und er war nicht am Wangenknochen, sondern am Kiefer, an der Bruchfläche. Wir haben es analysiert. Es ist ganz normaler Lack, ziemlich gebräuchlich für Stahlwerkzeuge. Hält gut und verhindert, dass die Dinger rosten.«
    »Eine Idee, was für ein Werkzeug das gewesen sein könnte?«
    Bjørn sah, dass Kim Erik in der Tür förmlich wuchs. Bjørn hatte ihn persönlich angelernt und jetzt fragte der Lehrmeister, ob der Lehrling einen Vorschlag hatte.
    »Schwer zu sagen. Kommt alles in Frage.«
    »Okay, das war alles.«
    »Aber ich habe eine Idee.«
    Bjørn sah, dass der junge Kollege vor Eifer fast platzte. Er könnte richtig gut werden.
    »Schieß los.«
    »Der Wagenheber. Alle Autos werden mit einem Wagenheber ausgeliefert, aber im Kofferraum von Mittets Wagen war kein Wagenheber.«
    Bjørn nickte. Er brachte es fast nicht übers Herz, es zu sagen. »Das war ein VW Sharan, das Modell von 2010, Kim Erik. Wenn du nachguckst, wirst du feststellen, dass das eines der wenigen Autos ist, die ohne Wagenheber ausgeliefert werden.«
    »Oh.« Das Gesicht des jungen Mannes fiel in sich zusammen wie ein punktierter Wasserball.
    »Aber danke für die Hilfe, Kim Erik.«
    Er könnte wirklich gut werden. Natürlich erst in ein paar Jahren.
    Bjørn ging die Mittet-Box systematisch durch, stutzte aber bei keinem anderen Detail.
    Er schloss den Deckel wieder, ging zu dem Büro am Ende des Flurs und klopfte an die offene Tür. Etwas verwirrt starrte er auf den glänzenden Hinterkopf, bis ihm klarwurde, dass das Roar Midtstuen war, der älteste und erfahrenste Kriminaltechniker. Einer von denen, die zeitweise Probleme damit gehabt hatten, dass ihr Chef nicht nur jünger, sondern auch noch eine Frau war. Aber seine Vorbehalte hatten sich gelegt, sobald er gemerkt hatte, dass Beate Lønn mit das Beste gewesen war, was ihrer Abteilung hatte passieren können.
    Midtstuen hatte gerade erst wieder angefangen. Er war mehrere Monate krankgeschrieben gewesen, weil seine Tochter bei einem Unfall auf der Straße getötet worden war, nachdem sie an einer Felswand im Osten der Stadt Klettern gewesen war. Sie und ihr Fahrrad waren im Graben gefunden worden, von dem Fahrer gab es keine Spur.
    »Na, Midtstuen?«
    »Na, Holm?« Midtstuen schwang auf seinem Stuhl herum, zuckte mit den Schultern, lächelte und versuchte, die Energie auszustrahlen, die ihm noch immer fehlte. Bjørn hatte das runde, aufgeblasene Gesicht kaum wiedererkannt, als er ihn zum ersten Mal wiedergesehen hatte. Allem Anschein nach eine häufige Nebenwirkung von Antidepressiva.
    »Waren die Schlagstöcke der Polizei eigentlich schon immer schwarz?«
    Als Kriminaltechniker waren sie es gewohnt, auf bizarre, aus dem Kontext gerissene Fragen antworten zu müssen, weshalb Midtstuen nicht einmal eine Augenbraue hochzog.
    »Dunkel waren sie auf jeden Fall.« Midtstuen war wie Bjørn in Østre Toten aufgewachsen, und wenn die beiden unter sich

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