Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)
worden wäre, hätten die ihn mit einem Gewicht im Wasser versenkt. Ich bitte Sie nachzudenken, Silje. Konzentrieren Sie sich.«
Sie atmete tief durch, und Harry vermied es, einen Blick auf ihre sich hebenden Brüste zu werfen. Er senkte den Kopf und kratzte sich im Nacken. Wartete.
»Nein, da war niemand«, sagte sie schließlich. »Es waren immer die gleichen Abläufe und Leute. Irgendwann kam ein neuer Anästhesiepfleger, aber der war nur ein oder zwei Mal da.«
»Okay«, sagte Harry und steckte die Hand in die Jackentasche. »Was ist mit dem hier links?«
Er legte einen Ausdruck vor ihr auf den Tisch. Das Bild hatte er über Google im Internet gefunden. Es zeigte einen jungen Truls Berntsen. Er stand links von Mikael Bellman vor der Polizeiwache in Stovner.
Silje studierte das Bild. »Nein, den habe ich im Krankenhaus nie gesehen. Aber der rechts …«
»Den haben Sie im Krankenaus gesehen?«, fragte Harry.
»Nein, nein, ich habe mich nur gefragt, ob das nicht der …?«
»Ja, das ist der Polizeipräsident«, sagte Harry und wollte das Bild wegnehmen, aber Silje legte ihre Hand auf seine.
»Harry?«
Er spürte die Wärme ihrer weichen Handfläche auf seinem Handrücken. Wartete.
»Ich habe die beiden schon mal gesehen. Zusammen. Wie heißt der andere?«
»Truls Berntsen. Wo haben Sie sie gesehen?«
»Vor gar nicht langer Zeit in der Schießhalle in Økern.«
»Danke«, sagte Harry und nahm das Bild wieder an sich. »Dann will ich Ihre Zeit nicht länger in Anspruch nehmen.«
»Na ja, du hast ja dafür gesorgt, dass ich Zeit im Überfluss habe, Harry.«
Er antwortete nicht.
Sie lachte kurz und beugte sich vor. »Du hast mich doch wohl nicht nur deshalb hergebeten?« Das Licht der Tischlampe tanzte in ihren Augen. »Weißt du, was für ein verwegener Gedanke mir gekommen ist, Harry? Dass du mich aus der Schule geschmissen hast, um mit mir zusammen sein zu können, ohne Schwierigkeiten mit der Leitung zu bekommen. Also, warum sagst du mir nicht, was du wirklich willst?«
»Das, was ich wirklich will, Silje …«
»Schade, dass deine Kollegin neulich plötzlich aufgetaucht ist, als wir …«
»… ist, dich zu der Sache im Krankenhaus zu befragen …«
»Ich wohne in der Josefines gate, aber das hast du bestimmt längst herausgefunden.«
»… Und das neulich war ein Riesenfehler von mir. Da habe ich Mist gebaut, ich …«
»Von hier aus braucht man zu Fuß nur elf Minuten und dreiundzwanzig Sekunden. Genau. Ich habe auf dem Hinweg die Zeit gestoppt.«
»… kann nicht. Will nicht. Ich werde …«
»Gehen wir?« Sie machte Anstalten, sich zu erheben.
»… im Frühsommer heiraten.«
Sie sank wieder zurück auf den Stuhl. Starrte ihn an. »Du willst … heiraten?« Ihre Stimme war in dem lauten Lokal kaum zu vernehmen.
»Ja«, sagte Harry.
Ihre Pupillen zogen sich zusammen. Wie ein Seestern, in den jemand einen Stock gebohrt hat, dachte Harry.
»Sie?«, flüsterte sie. »Diese Rakel Fauke?«
»Das ist ihr Name, ja. Aber verheiratet oder nicht, Studentin oder nicht. Zwischen uns wird nie etwas passieren. Deshalb bedauere ich die Situation … die da entstanden ist.«
»Heiraten …« Sie wiederholte das Wort wie eine Schlafwandlerin und starrte durch ihn hindurch.
Harry nickte und spürte in seiner Brust etwas vibrieren. Einen Augenblick lang dachte er, das wäre sein Herz, bis er kapierte, dass es sein Handy in der Innentasche war.
Er nahm es heraus. »Harry?«
Hörte zu. Dann hielt er es vor sich und starrte es an, als stimmte etwas damit nicht.
»Wiederhol das noch mal«, sagte er und hielt es sich wieder ans Ohr.
»Ich habe gesagt, dass wir die Pistole gefunden haben«, sagte Bjørn Holm. »Und ja, es ist seine.«
»Wer weiß schon davon?«
»Niemand.«
»Sieh zu, dass du diese Information möglichst lange zurückhältst.«
Harry beendete die Verbindung und wählte eine neue Nummer. »Ich muss gehen«, sagte er zu Silje und schob einen Schein unter das Glas. Er sah, dass sich ihr lippenstiftroter Mund öffnete, stand aber auf und ging, bevor sie irgendetwas sagen konnte. Schon an der Tür hatte er Katrine am Apparat und wiederholte, was Bjørn ihm gesagt hatte.
»Du machst Witze«, sagte sie.
»Und warum lachst du dann nicht?«
»Aber … das ist ja vollkommen unglaublich.«
»Wahrscheinlich glauben wir es deshalb nicht«, sagte Harry. »Finde das raus. Finde den Fehler!«
Durch das Telefon hörte er, dass das zehnbeinige Insekt bereits wieder über die
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