Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)
Senatorin. Es ist sicher unglücklich, dass diese Situation, die so viel Erfahrung und Routine erfordert, gleich am Beginn ihrer Amtsperiode steht.«
Er sah, wie der Senatsleiter den Kopf leicht nach hinten und zur Seite neigte, als kämen ihm die Worte bekannt vor.
»Es wäre vielleicht besser gewesen, dieser Fall wäre noch auf dem Tisch des früheren Senators gelandet.«
Er sah in Skøyens plötzlich sehr bleiches Gesicht, die natürlich ihre Worte über Bellman längst wiedererkannt hatte, und er musste sich eingestehen, dass es lange her war, dass er eine solch diebische Freude verspürt hatte.
»Ich denke«, schloss er, »dass alle hier im Raum dem zustimmen können, die derzeit amtierende Senatorin eingeschlossen.«
»Danke für Ihre klaren und aufrichtigen Worte«, sagte der Senatsleiter. »Ich gehe davon aus, das bedeutet, dass Sie keinen alternativen Handlungsplan entworfen haben.«
Der Alte nickte. »Richtig, das habe ich nicht. Aber draußen steht ein Mann, der Ihnen das Gewünschte geben wird.«
Er stand auf, nickte kurz und ging zur Tür. Mit dem Gefühl, dass Isabelle Skøyens Blick zwischen seinen Schulterblättern ein Loch in die Tweedjacke brannte. Aber das machte nichts, es gab nichts mehr, wo sie ihm Knüppel zwischen die Beine werfen konnte. Und er dachte, dass er sich am Abend bei einem Glas Wein am meisten über die beiden kleinen Worte freuen würde, die er an passender Stelle in sein Manuskript eingebaut hatte. Das eine war das Wort »versucht« in »ihren eigenen Polizeipräsidenten ans Messer zu liefern versucht«, das andere das Wörtchen »derzeit« in »derzeit amtierende Senatorin«.
Mikael Bellman stand von seinem Stuhl auf, als sich die Tür öffnete.
»Jetzt sind Sie an der Reihe«, sagte der Mann in der Tweedjacke und ging an den Fahrstühlen vorbei, ohne ihn eines Blickes zu würdigen.
Bellman glaubte sich zu irren, als er das Lächeln auf den Lippen des anderen sah.
Dann schluckte er, atmete tief ein und trat in den Sitzungsraum, in dem er noch vor kurzem geschlachtet und zerlegt worden war.
Der lange Tisch wurde von elf Gesichtern umrahmt. Zehn davon erwartungsvoll wie das Theaterpublikum am Anfang des zweiten Akts nach erfolgreichem ersten Akt. Und eines auffällig blass, so blass, dass er sie auf den ersten Blick fast nicht wiedererkannte. Die Schlächterin.
Vierzehn Minuten später war er fertig. Er hatte ihnen sein Konzept vorgestellt. Hatte erklärt, dass die Geduld sich bezahlt gemacht hatte und ihre systematische Arbeit zu einem Durchbruch in den Ermittlungen geführt habe. Dieser Durchbruch sei gleichermaßen erfreulich wie bedrückend, denn es mehrten sich die Hinweise, dass der Schuldige in ihren eigenen Reihen zu suchen sei. Trotzdem dürften sie sich davon nicht abschrecken lassen. Sie mussten der Bevölkerung zeigen, dass sie bereit waren, jeden Stein umzudrehen, wie unangenehm das, was darunter zum Vorschein kam, auch sein mochte. Sie mussten zeigen, dass sie nicht feige waren. Er war auf den Sturm vorbereitet, denn in Situationen wie dieser kam es darauf an, Mut zu zeigen, echte Führungskraft und Klugheit. Nicht nur im Polizeipräsidium, auch im Rathaus. Er war bereit, aufrecht am Ruder zu stehen, brauchte für diesen Kampf aber die vorbehaltlose Rückendeckung des Senats.
Er hatte selbst gehört, wie schwülstig seine abschließenden Worte klangen, schwülstiger als bei Gunnar Hagen gestern Abend bei ihm zu Hause. Aber er sah, dass er wenigstens einige von ihnen am Haken hatte, besonders die Frauen, die beim Schlussplädoyer ganz rote Wangen bekommen hatten. Wenn es nötig wäre, alle Dienstwaffen des ganzen Landes mit dieser einen Kugel abzugleichen, würde er persönlich als Erster seine Waffe zur Ballistik bringen.
Aber jetzt ging es nicht darum, den Frauen zu gefallen, jetzt zählte die Meinung des Senatsleiters, der ihn noch immer mit einem Pokerface betrachtete.
Truls Berntsen steckte das Handy in die Tasche und nickte der Thaifrau zu, dass sie ihm noch einen Kaffee bringen sollte.
Sie verschwand lächelnd.
Wirklich dienstbereit, diese Thai. Im Gegensatz zu den wenigen Norwegern, die noch als Bedienung arbeiteten und immer faul und miesgelaunt waren und den Eindruck erweckten, als wäre es ihnen peinlich, ehrliche Arbeit zu leisten. Ganz anders die Thaifamilie, die dieses kleine Restaurant in Torshov betrieb. Sie standen schon bereit, wenn er nur mit der Augenbraue zuckte. Und wenn er für eine Frühlingsrolle oder einen Kaffee bezahlte,
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