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Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)

Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)

Titel: Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Tastatur lief.
    Aurora ging gemeinsam mit Emilie zur Bushaltestelle. Es dämmerte, irgendwie war das wieder so ein Tag, an dem man ständig dachte, dass es gleich zu regnen anfing, dann aber doch kein Tropfen vom Himmel fiel. Das konnte einen richtig wütend machen.
    Sie sprach Emilie darauf an. Ihre Freundin sagte nur »Mhm«, aber Aurora spürte, dass sie sie nicht verstand.
    »Kann es nicht einfach anfangen, damit wir es hinter uns haben?«, schimpfte Aurora. »Es ist besser, es regnet, als dass man ständig drauf wartet, dass es loslegt.«
    »Ich mag Regen«, sagte Emilie.
    »Ich auch, wenn es nicht gleich schüttet. Aber …« Sie gab es auf.
    »Was war denn eigentlich beim Training los?«
    »Wieso, was soll denn los gewesen sein?«
    »Arne hat dich angeschnauzt, weil du nicht ganz bis zur Seitenlinie gegangen bist.«
    »Ich war bloß ein bisschen langsam.«
    »Nee, du bist stehen geblieben und hast zur Tribüne gestarrt. Arne sagt, die Verteidigung ist beim Handball das Wichtigste. Man muss mit dem Gegner mitgehen, sich seitlich verschieben. Das wäre ganz zentral.«
    Arne sagt ständig irgendwelchen Blödsinn, dachte Aurora, sagte es aber nicht laut. Sie wusste, dass Emilie auch das nicht verstehen würde.
    Aurora war einen Moment lang unkonzentriert gewesen, weil sie sich sicher gewesen war, ihn auf der Tribüne gesehen zu haben. Er war nicht schwer zu erkennen gewesen, weil da ansonsten nur die Jungenmannschaft gesessen und darauf gewartet hatte, dass sie nach dem Mädchentraining an die Reihe kamen. Das war er gewesen, da war sie sich ziemlich sicher. Der Mann aus dem Garten. Der nach ihrem Vater gefragt hatte. Und der wollte, dass sie sich eine Band anhörte, deren Namen sie vergessen hatte. Und der ein Glas Wasser wollte.
    Sie war stehen geblieben, die anderen hatten ein Tor geworfen, und ihr Trainer, Arne, hatte das Spiel unterbrochen und sie angeschnauzt. Natürlich hatte ihr das leidgetan. Sie hasste es, wegen einer solchen Bagatelle die Fassung zu verlieren, aber trotzdem waren ihr die Tränen in die Augen gestiegen, so dass sie sich mit dem Schweißband über Augen und Stirn gefahren war, damit es so aussah, als würde sie sich nur den Schweiß abwischen. Als Arne fertig war mit seiner Standpauke und sie wieder zur Tribüne aufgeblickt hatte, war er weg gewesen. Genau wie beim letzten Mal. Nur dass es dieses Mal so schnell gegangen war, dass sie sich fragte, ob sie ihn wirklich gesehen oder sich das nur eingebildet hatte.
    »Oh nein«, sagte Emilie, als sie einen Blick auf den Fahrplan warf.
    »Der 149er kommt erst in gut zwanzig Minuten. Mama hat heute Abend Pizza für uns gemacht. Die wird jetzt eiskalt.«
    »Blöd«, sagte Aurora und schaute weiter auf den Fahrplan. Sie hatte weder Lust auf Pizza noch darauf, bei Freundinnen zu übernachten. Aber irgendwie machten das ja alle. Jeder übernachtete bei jedem, das war wie ein Rundlauf, bei dem man einfach mitmachen musste, wenn man nicht komplett außen vor sein wollte. Nicht ganz, auf jeden Fall.
    »Du«, sagte sie und sah auf die Uhr. »Hier steht, dass der 131er in einer Minute kommt, und mir ist eingefallen, dass ich meine Zahnbürste vergessen habe. Der 131er fährt bei mir zu Hause vorbei, wenn ich den nehme, kann ich anschließend mit dem Fahrrad zu dir fahren.«
    Sie sah Emilie an, dass ihr diese Idee ganz und gar nicht gefiel. Der Gedanke, im Fast-Regen allein im Dunkeln an der Bushaltestelle zu stehen und dann ebenso allein mit dem Bus nach Hause zu fahren, stank ihr gewaltig. Und sie hatte den Verdacht, dass Aurora bestimmt wieder eine Entschuldigung vorbringen und doch nicht bei ihr übernachten würde, wenn sie erst zu Hause war.
    »Wenn du meinst«, sagte Emilie sauer und fingerte an ihrer Sporttasche herum. »Aber mit der Pizza warten wir nicht.«
    Aurora sah den Bus um die Ecke biegen. 131.
    »Außerdem kannst du doch meine Zahnbürste nehmen«, sagte Emilie. »Wir sind doch Freundinnen.«
    Wir sind keine Freundinnen, dachte Aurora. Du bist Emilie, die mit allen in der Klasse befreundet ist, die immer die richtigen Klamotten trägt, den beliebtesten Namen des Landes hat und die sich nie mit jemandem verkracht, weil sie so nett ist und nie jemanden kritisiert, jedenfalls nicht, wenn er zuhört. Während ich Aurora bin, die das tut, was sie tun muss – aber auch nicht mehr –, um mit euch zusammen zu sein, weil sie keine Lust hat, allein zu sein. Ihr findet sie zwar trotzdem seltsam, hackt aber wegen ihrer Intelligenz und

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