Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)
vorsichtig korrigierend in die Kräfte des Marktes einzugreifen. Das ist gute, alte Arbeiterparteipolitik. Wir haben Asajev das Monopol für seine Drogen überlassen und alle anderen Drogenbarone verhaftet, weil Asajevs Dope weniger Drogentote gefordert hat. Alles andere wäre falsch gewesen.«
Mikael musste lächeln. »Wie ich höre, hast du deine Rhetorik in deinen Debattierkursen ziemlich verbessert.«
»Wollen wir das Thema wechseln, Liebster?« Sie legte ihre Hand um seinen Schlips.
»Du weißt aber schon, wie das in einem Verfahren dargestellt werden würde? Dass ich das Amt des Polizeipräsidenten bekommen habe und du Sozialsenatorin geworden bist, weil es so aussah, als hätten wir persönlich die Straßen Oslos gesäubert und dafür gesorgt, dass es nicht mehr so viele Tote gibt, während wir in Wirklichkeit dabei zugesehen haben, wie Asajev alle Beweise vernichtet, seine Konkurrenten umbringt und Dope verkauft, das viermal so stark und suchtbildend ist wie Heroin.«
»Huh, ich werde wahnsinnig feucht, wenn du so redest …« Sie zog ihn an sich heran. Ihre Zunge war in seinem Mund, und er hörte das Knistern ihres Strumpfes, als sie ihr Bein an ihm rieb. Sie zog ihn hinter sich her, während sie langsam zum Schreibtisch zurückwich.
»Wenn er aufwacht und zu reden anfängt …«
»Halt den Mund, ich habe dich nicht herbestellt, um mit dir zu reden.« Ihre Finger arbeiteten mit seinem Gürtel.
»Wir haben ein Problem, das wir lösen müssen, Isabelle!«
»Das verstehe ich, aber als Polizeipräsident musst du auf bestimmte Prioritäten achten. Und in diesem Moment setzt das Rathaus diese Prioritäten.«
Mikael packte ihre Hand, bevor sie zugreifen konnte.
Sie seufzte. »Okay, lass hören, was du dir ausgedacht hast.«
»Wir müssen ihn unter Druck setzen, ihm klarmachen, dass sein Leben auf dem Spiel steht.«
»Warum unter Druck setzen? Warum bringen wir ihn nicht einfach um?«
Mikael lachte. Bis er kapierte, dass sie es ernst meinte und dafür nicht einmal Bedenkzeit brauchte.
»Weil …« Mikael hielt ihrem Blick stand. Er versuchte, der souveräne Mikael Bellman zu sein, der vor einer halben Stunde vor seiner Ermittlungsgruppe gestanden hatte. Er suchte nach einer Antwort, aber sie kam ihm zuvor.
»Weil du dich nicht traust. Sollen wir in den Gelben Seiten nachschauen, ob wir unter Aktive Sterbehilfe jemanden finden? Du gibst den Befehl, die Bewachung abzuziehen, weil ihr die Ressourcen anderweitig braucht, irgendwas wird dir da schon einfallen, und dann bekommt der Patient unerwartet Besuch von den Gelben Seiten. Also, unerwartet für ihn. Oder nein, schick doch deinen Schatten. Beavis. Truls Berntsen. Der tut für Geld doch alles, oder?«
Mikael schüttelte ungläubig den Kopf. »Der Leiter des Dezernats für Gewaltverbrechen, Gunnar Hagen, hat die Bewachung angeordnet. Und außerdem würde es, gelinde gesagt, merkwürdig aussehen, wenn der Patient zu Tode käme, nachdem ich gegen Hagens Order beschlossen hätte, die Bewachung aufzugeben. Außerdem können wir keinen weiteren Mord gebrauchen.«
»Jetzt hör mir mal zu, Mikael. Kein Politiker ist besser als seine Berater. Deshalb muss man sich, will man bis ganz an die Spitze, immer mit Menschen umgeben, die klüger sind als man selbst. Und ich frage mich langsam, ob du wirklich klüger bist als ich, Mikael. Zum einen schaffst du es nicht, den Polizistenmörder zu schnappen. Und jetzt weißt du nicht einmal, wie du das simple Problem mit dem Mann im Koma lösen sollst. Wenn du mich obendrein noch nicht einmal ficken willst, muss ich mich doch wohl fragen, was ich eigentlich mit dir soll? Kannst du mir darauf eine Antwort geben?«
»Isabelle …«
»Ich deute das als ein Nein. Also hör zu, wir machen das so …«
Er konnte nicht anders als sie bewundern. Sie strahlte Kontrolle und kühle Professionalität aus, war dabei aber derart risikobereit und unberechenbar, dass ihre Kollegen auf ihren Stühlen immer ganz nach vorne rutschten, wenn sie mit ihr zu tun hatten. Manche Leute sahen in ihr so etwas wie eine tickende Zeitbombe, aber diese Menschen hatten nicht erkannt, dass es zu Isabelle Skøyens Spiel gehörte, Unsicherheit zu verbreiten. Sie hatte es in kürzerer Zeit weiter gebracht und mehr erreicht als alle anderen. Und würde – wenn sie fiel – umso tiefer und hässlicher abstürzen. Mikael Bellman erkannte sich zwar in Isabelle Skøyen wieder, aber sie war so etwas wie eine Extremausgabe von ihm selbst. Und das
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