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Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)

Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)

Titel: Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Bellman zuerst, dicht gefolgt von Berntsen. Auch als Mikael mit Ulla zusammengekommen war, hatte Truls nur zwei Schritte hinter ihm gestanden. Doch mit den Jahren war Truls etwas zurückgeblieben, weder im Privatleben noch karrieremäßig hatte er Mikaels natürlichen Auftrieb gezeigt. Aber in der Regel war Truls leicht zu steuern und berechenbar gewesen, er sprang, wenn Mikael von ihm verlangte zu springen. Doch manchmal strahlten seine Augen dieses Schwarz aus, und dann hatte Mikael plötzlich das Gefühl, ihn nicht wirklich zu kennen. Wie damals bei dem jungen Mann, den sie festgenommen hatten, den Truls mit seinem Schlagstock in blinder Wut verprügelt hatte. Oder bei dem Kerl im Kriminalamt, der sich als warmer Bruder entpuppt hatte und Mikael anmachen wollte. Da auch andere Kollegen zugegen gewesen waren, hatte Mikael eingreifen müssen, damit ja nicht der Eindruck entstand, dass er so etwas durchgehen ließ. Er hatte Truls mit zu der Adresse genommen, an der der Mann wohnte, und diesen nach unten in die Garage gelockt, wo Truls mit seinem Schlagstock auf ihn losgegangen war. Erst kontrolliert, dann immer rabiater, während das Blitzen in seinen Augen mehr und mehr von ihm Besitz ergriff, bis er irgendwann ausgesehen hatte, als stünde er unter Schock. Mikael hatte ihn schließlich bremsen müssen, damit er den Mann nicht umbrachte. Loyal war Truls ohne jede Frage. Dabei aber auch eine tickende Zeitbombe, und genau das machte Mikael Bellman Sorgen. Als Mikael ihm mitgeteilt hatte, die Dienstaufsicht habe beschlossen, ihn zu suspendieren, bis die Herkunft des Geldes auf seinem Konto geklärt sei, hatte Truls nur schulterzuckend gesagt, das sei seine Privatsache. Als ginge ihn das alles nichts an. Dann war er gegangen. Als hätte Truls »Beavis« Berntsen einen Ort, an den er gehen konnte, ein Leben jenseits des Jobs. Auch in diesem Moment hatte Mikael das Schwarz in seinen Augen gesehen. Wie eine Zündschnur, die langsam in einem schwarzen Grubenschacht abbrannte, ohne dass etwas geschah. Aber man weiß nicht, ob sie unterwegs erloschen oder bloß sehr lang ist, und so wartet man voller Spannung, ahnend, dass es umso schlimmer knallen wird, je länger es dauert.
    Der Wagen fuhr auf die Rückseite des Rathauses. Mikael stieg aus und ging über die Stufen nach oben zum Eingang. Manche Leute behaupteten, dies sei der eigentliche Haupteingang, dass die Bauzeichnung durch ein Versehen gedreht worden sei. Als das bemerkt worden war, war der Bau schon so weit fortgeschritten, dass man den Fehler unter den Tisch gekehrt und so getan hatte, als wäre nichts geschehen. Man hoffte einfach darauf, dass diejenigen, die über den Oslofjord auf die Hauptstadt Norwegens zugesegelt kamen, nicht erkannten, dass es eigentlich der Dienstboteneingang war, den sie vor sich hatten.
    Die italienischen Ledersohlen gaben ein sanftes Knarren von sich, als Mikael Bellman über den Steinboden zur Rezeption marschierte und von einem strahlenden Lächeln empfangen wurde.
    »Guten Tag, Herr Polizeipräsident. Sie werden erwartet. In der zehnten Etage, das Büro ganz hinten links.« Auf dem Weg nach oben musterte Bellman sich selbst im Spiegel des Aufzugs und dachte, dass er im doppelten Sinne des Wortes auf dem Weg nach oben war. Trotz des Mordfalles. Er rückte den Seidenschlips zurecht, den Ulla ihm in Barcelona gekauft hatte. Doppelter Windsorknoten. Er hatte Truls schon in der Schule beigebracht, wie man einen Schlips band. Aber ihm hatte er nur den dünnen, einfachen Knoten gezeigt. Die Tür am Ende des Flures war angelehnt. Mikael schob sie auf.
    Das Büro war kahl. Der Schreibtisch aufgeräumt, die Regale geleert, und an der Tapete waren noch die hellen Stellen zu erkennen, an denen früher Bilder gehangen hatten. Sie saß in einem der Fensterrahmen. Ihr Gesicht hatte die konventionelle Schönheit, die Frauen gerne als »attraktiv« bezeichneten, strahlte aber trotz der lockigen blonden Puppenhaare keinerlei Wärme oder Sinnlichkeit aus. Sie war groß und athletisch mit breiten Schultern und kräftigen Hüften, die für den Anlass in einem engen Lederrock steckten. Die Beine hatte sie übereinandergeschlagen. Das Maskuline in ihrem Gesicht – unterstrichen durch die markante Hakennase und die blauen, kalten Wolfsaugen – und ihr herausfordernder, neckender Blick hatten Bellman schon bei ihrer ersten Begegnung einiges verraten. Er hatte Isabelle Skøyen gleich als eine Macherin eingeschätzt, als eine risikobereite

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