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Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)

Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)

Titel: Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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längst aufgeklärten und erledigten Fällen herumzuwühlen.
    Trotz des Lichtes der Straßenlaternen wäre er fast an dem Holzschild vorbeigefahren, das in den Wald zeigte. Da war es. Genau so, wie er es in Erinnerung hatte. Er bog von der Straße ab, kam auf einen weichen Waldweg und fuhr so langsam, wie es ging, ohne das Gleichgewicht zu verlieren, weiter. Der Lichtkegel seiner Stirnlampe, die er außen auf dem Helm angebracht hatte, schweifte über den Weg und blieb an den dunklen Kiefern auf beiden Seiten hängen. Schatten huschten vor ihm her, ängstlich und scheu, verwandelten sich und verschwanden im Dickicht. Genau so hatte er es sich vorgestellt, als er sich in ihre Situation zu versetzen versucht hatte. Rennend, mit einer Lampe in der Hand, auf der Flucht, eingesperrt und vergewaltigt, drei lange Tage.
    Als Erlend Vennesla das Licht sah, das in diesem Moment vor ihm eingeschaltet wurde, dachte er für den Bruchteil einer Sekunde, dass es ihre Taschenlampe war, dass sie wieder auf der Flucht war und er auf einem Motorrad saß und ihr immer näher kam. Das Licht vor Erlend flackerte, bevor es auf ihn gerichtet wurde. Er blieb stehen, stieg vom Rad ab und richtete die Stirnlampe auf seine Pulsuhr. Unter hundert. Nicht schlecht.
    Er löste den Kinnriemen, zog den Helm ab und kratzte sich am Kopf. Mein Gott, wie gut das tat. Dann schaltete er die Stirnlampe aus, hängte den Helm an die Lenkstange und schob sein Fahrrad auf das Licht der Taschenlampe zu. Der baumelnde Helm stieß gegen sein Handgelenk.
    Als das Licht nach oben zuckte, blieb er stehen. Die hellen Strahlen blendeten ihn. Und geblendet dachte er, dass er doch noch ziemlich keuchte, erstaunlich, bei dem niedrigen Puls. Er ahnte eine Bewegung hinter dem großen, zitternden Kreis aus Licht. Dann ging ein Pfeifen durch die Luft und im selben Moment schoss ihm durch den Kopf, dass er den Helm nicht hätte absetzen sollen. Die meisten tödlichen Fahrradunfälle …
    Der Gedanke geriet ins Stocken, die Zeit hakte, die Bildleitung wurde für einen Augenblick unterbrochen.
    Erlend Vennesla starrte überrascht nach vorn und spürte einen warmen Schweißtropfen über seine Stirn laufen. Er sprach, aber seine Worte ergaben keinen Sinn, als gäbe es einen Kopplungsfehler zwischen Hirn und Mund. Wieder hörte er das leise Pfeifen. Dann nichts mehr. Alle Geräusche waren weg, nicht einmal seinen eigenen Atem hörte er noch. Und er bemerkte, dass er kniete und das Fahrrad langsam in den Graben kippte. Vor ihm tanzte das gelbe Licht, verschwand aber, als die Schweißtropfen seine Nasenwurzel erreichten, ihm in die Augen flossen und ihm die Sicht nahmen. Erst jetzt begriff er, dass das kein Schweiß war.
    Der dritte Schlag fühlte sich an, als würde ein Eiszapfen durch seinen Kopf in seinen Hals, ja bis in seinen Körper getrieben. Alles gefror.
    Ich will nicht sterben, dachte er und versuchte, schützend einen Arm zu heben, doch er konnte sich nicht bewegen, nicht ein Glied, er war gelähmt.
    Den vierten Schlag registrierte er nicht mehr, aber aus dem Geruch der nassen Erde schloss er, dass er inzwischen am Boden lag. Er blinzelte mehrmals und konnte plötzlich auf einem Auge wieder sehen. Direkt vor sich erkannte er ein paar große, dreckige Stiefel im Schlamm. Die Absätze lösten sich vom Boden, dann die ganzen Stiefel. Und landeten wieder. Dieser Prozess wiederholte sich, erst gingen die Absätze hoch, dann die Sohlen. Als ob sich derjenige, der schlug, vom Boden abstieß, um noch mehr Kraft in seine Schläge legen zu können. Der letzte Gedanke, der ihm durch den Kopf ging, war, dass er nicht vergessen durfte, wie seine Enkelin hieß, er musste ihren Namen behalten.

Kapitel 2
    A nton Mittet nahm den halbvollen Plastikbecher aus der kleinen roten Nespresso-D-290-Maschine, bückte sich und stellte ihn auf den Boden. Einen Tisch gab es nicht. Dann drehte der Polizist die längliche Schachtel um, fischte eine weitere Kapsel heraus, überprüfte automatisch, ob die dünne Metallfolie des Deckels auch nicht perforiert war, und steckte sie in die Espressomaschine. Er stellte einen leeren Plastikbecher unter den Hahn und drückte auf einen der leuchtenden Knöpfe.
    Während die Maschine zu prusten und stöhnen begann, sah er auf die Uhr. Es war bald Mitternacht. Wachablösung. Er wurde zu Hause erwartet, wollte die Neue aber trotzdem erst noch in ihre Aufgabe einweisen, schließlich kam seine Kollegin direkt von der Polizeischule. Er glaubte sich zu erinnern, dass

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