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Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)

Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)

Titel: Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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einem Prepaidhandy, aus einer Telefonzelle oder aus einer großen Telefonzentrale, bei der die gewählte Nummer nicht gespeichert wurde?
    Harry saß ein paar Sekunden still da.
    Dann nahm er die Hände weg.
    Sah auf das große schwarze Festnetztelefon, das auf dem Schreibtisch stand. Zögerte. Dann nahm er den Hörer ab. Bekam das Freizeichen der Zentrale. Drückte die Wahlwiederholungstaste, und mit leisen Piepstönen begann das Telefon die zuletzt gewählte Nummer anzurufen.
    Er hörte das Freizeichen und dass der Hörer abgenommen wurde.
    Die gleiche weiche, melodische Stimme.
    »Bellman.«
    »Oh, tut mir leid, da habe ich mich verwählt«, sagte Harry und legte auf. Schloss die Augen.
    Verdammt, verdammt.

Kapitel 49
    K ein Wie oder Warum.
    Harrys Hirn sortierte alles Unnötige aus, um sich auf das einzig Wesentliche zu konzentrieren. Wo?
    Wo zum Henker befand sich Arnold Folkestad?
    An einem Tatort.
    Mit chirurgischer Ausrüstung.
    Als Harry die Idee kam, verblüffte ihn vor allem, dass er nicht gleich darauf gekommen war. Es war so offensichtlich, dass selbst ein Erstsemester mit mittlerer Phantasie genug Kombinationsgabe gehabt hätte, um den Gedankenbahnen des Täters zu folgen. Tatort. Ein Tatort, an dem ein wie ein Chirurg gekleideter Mann nicht sonderlich auffallen würde.
    Es waren etwa zwei Minuten mit dem Auto von der PHS zum Reichshospital.
    Das könnte er schaffen. Delta nicht.
    Harry brauchte fünfundzwanzig Sekunden zum Verlassen des Gebäudes. Dreißig, um zum Auto zu kommen, es anzulassen und auf den Slemdalsveien zu fahren, der ihn fast bis ans Ziel brachte.
    Eine Minute und fünfundvierzig Sekunden später fuhr er vor dem Haupteingang der Klinik vor.
    Zehn Sekunden danach hatte er die Schwingtür hinter sich gebracht und rannte an der Rezeption vorbei. Er hörte ein »He, Sie«, rannte aber weiter. Seine Schritte hallten wie Stakkatoschläge zwischen Wänden und Decke des Flurs wider. Noch im Laufen griff er in seinen Rücken und bekam die Odessa zu fassen, die er sich hinter den Gürtel geschoben hatte. Er spürte, wie sein Puls immer schneller sank, sah den Kaffeeautomaten und wurde langsamer, um nicht zu viel Lärm zu machen. An dem Stuhl vor der Tür blieb er stehen. Es war allgemein bekannt, dass dort drinnen ein russischer Drogenbaron gestorben war, aber nur wenige wussten, dass der Mann umgebracht worden war und der Raum der Tatort eines unaufgeklärten Mordes war. Zu diesen wenigen gehörte Arnold Folkestad.
    Harry ging langsam zur Tür. Lauschte.
    Überprüfte, ob seine Waffe entsichert war.
    Seine Pulsfrequenz hatte den niedrigsten Punkt erreicht.
    Etwas weiter hinten im Flur hörte er laufende Schritte. Sie wollten ihn aufhalten. Und bevor Harry im nächsten Moment lautlos die Tür öffnete und in den Raum schlüpfte, hatte er noch einen Gedanken: Was für ein verdammt beschissener Traum, in dem sich alles immer wiederholte, irgendwann musste doch mal Schluss sein. Irgendwann musste er doch mal aufwachen. Die Augen aufschlagen und einen sonnigen Morgen begrüßen, unter einer kühlen weißen Decke, in ihren Armen, die ihn festhielten und ihn nie, nie wieder losließen.
    Harry schloss die Tür hinter sich und starrte auf den grüngekleideten Rücken, der sich über ein Bett beugte, in dem ein Mann lag, den er kannte.
    Mikael Bellman.
    Harry hob die Pistole. Drückte den Abzug nach hinten. Sah bereits vor sich, wie die Salve den grünen Stoff zerfetzte, Nerven und Knochenmark durchbohrte, bevor der Rücken in sich zusammensackte und nach vorn kippte. Aber Harry wollte das nicht. Er wollte diesem Mann nicht in den Rücken schießen, sondern ins Gesicht.
    »Arnold«, sagte Harry mit belegter Stimme. »Dreh dich zu mir um.«
    Es klirrte auf dem Metalltisch, als der Grüngekleidete ein blankes Skalpell ablegte. Dann drehte er sich langsam um. Zog den Mundschutz herunter. Sah Harry an.
    Harry starrte zurück. Der Finger straffte sich um den Abzug.
    Die Schritte draußen waren näher gekommen. Es waren mehrere. Er musste sich beeilen, wenn er das ohne Zeugen erledigen wollte. Er spürte den Widerstand des Abzugs nachgeben, er war jetzt im Auge des Sturms, in dem alles ganz still war. Die Ruhe vor der Explosion. Jetzt. Nein. Nicht jetzt. Der Finger wich einen Millimeter zurück. Und noch einen. Das war nicht Arnold Folkestad. Hatte er sich geirrt? Hatte er sich wieder geirrt? Das Gesicht vor ihm war glattrasiert, der Mund stand offen, die schwarzen Augen eines Unbekannten. War das der

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