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Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)

Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)

Titel: Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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eine kleine Decke, und auf dem Fensterbrett stand eine Zuckerdose mit Plastikblumen.
    Katrine und Beate nahmen auf der anderen Tischseite Platz.
    »Da unten ist nie Ruhe«, sagte Irja und nickte in Richtung der stark befahrenen Uelands gate draußen vor dem Fenster. Ihre Stimme hatte die raue Heiserkeit, die Katrine erwartet hatte, nachdem sie die Wohnung und das Gesicht der etwas über dreißig Jahre alten Greisin gesehen hatten. »Autos, immer nur Autos, wo wollen die denn alle hin?«
    »Nach Hause«, schlug Beate vor. »Oder weg von zu Hause.«
    Irja zuckte mit den Schultern.
    »Sie sind wohl auch von zu Hause weg«, sagte Katrine. »Im Einwohnermeldeamt werden Sie …«
    »Ich habe mein Haus verkauft«, sagte Irja. »Ich hatte es geerbt, aber es war zu groß, zu …« Sie benetzte mit ihrer trockenen weißen Zunge das Zigarettenpapier, während Katrine den Satz im Stillen zu Ende brachte: zu verlockend, als das Geld für den täglichen Drogenbedarf nicht mehr gereicht hat.
    »… voll mit schlechten Erinnerungen.«
    »Was für Erinnerungen?«, fragte Beate.
    Katrine fühlte sich unwohl. Beate war Kriminaltechnikerin, keine Expertin für Verhöre, und in diesem Moment machte sie die Tür zu weit auf und bat um die ganze Tragödie von Irjas Leben. Dabei waren selbstmitleidige Junkies bekannt dafür, dick aufzutragen.
    »Wegen Valentin.«
    Katrine richtete sich auf. Vielleicht wusste Beate doch, was sie tat.
    »Was hat er gemacht?«
    Sie zuckte wieder mit den Schultern. »Er war Mieter bei mir. Hatte die Kellerwohnung. Er … war da.«
    »War da?«
    »Sie kennen Valentin nicht. Er ist anders. Er …« Sie klickte mit dem Feuerzeug, bekam es aber nicht an. »Er …« Klick, klick.
    »… war verrückt?«, schlug Katrine ungeduldig vor.
    »Nein!« Irja schmiss das Feuerzeug wütend weg.
    Katrine fluchte innerlich. Jetzt hatte sie sich wie eine Amateurin verhalten und mit ihrer tendenziösen Frage womöglich Informationen blockiert, die sie sonst bekommen hätten.
    »Immer heißt es, dass Valentin verrückt ist! Aber das ist er nicht! Er tut einfach nur …« Sie sah aus dem Fenster auf die Straße. Dann senkte sie ihre Stimme. »Er macht irgendetwas mit der Luft. Man bekommt Angst davon.«
    »Hat er Sie geschlagen?«, fragte Beate.
    Auch diese Frage gab die Antwort bereits vor. Katrine versuchte, Augenkontakt zu Beate zu bekommen.
    »Nein«, sagte Irja. »Geschlagen hat er mich nicht. Aber gewürgt. Immer wenn ich ihm widersprochen habe. Er war so stark, konnte mich mit einer Hand am Hals packen und mir die Luft abquetschen. Hielt mich fest, bis mir schwarz vor Augen wurde. Ich konnte diese Hand einfach nicht abschütteln.«
    Katrine nahm an, dass das Lächeln, das sich auf Irjas Gesicht breitmachte, Galgenhumor war. Bis Irja weiterredete.
    »… und das Merkwürdige ist, dass mich das high gemacht hat. Richtig geil.«
    Katrine schnitt unfreiwillig eine Grimasse. Sie hatte gelesen, dass eine Sauerstoffunterversorgung im Hirn bei manchen Leuten einen solchen Effekt hatte, aber bei einem Übergriff?
    »Und dann hatten Sie Sex?«, fragte Beate, bückte sich, hob das Feuerzeug auf und gab Irja Feuer.
    Irja steckte hastig die Zigarette zwischen die Lippen, beugte sich vor und zündete sie an der unzuverlässigen Flamme an. Sie atmete den Rauch wieder aus, lehnte sich nach hinten und implodierte förmlich, als wäre ihr Körper eine vakuumierte Tüte, in die die Zigarette gerade ein Loch gebrannt hatte.
    »Er wollte nicht immer ficken«, sagte Irja. »Manchmal ging er einfach. Während ich darauf wartete, dass er bald wiederkam.« Katrine musste sich zusammenreißen, um nicht ausfällig zu werden.
    »Und was hat er gemacht, wenn er weg war?«
    »Das weiß ich nicht. Gesagt hat er nichts, und ich …« Wieder dieses Schulterzucken. Schulterzucken als Lebensinhalt, dachte Katrine. Resignation als Betäubungsmittel. »Wahrscheinlich wollte ich es auch gar nicht wissen.«
    Beate räusperte sich. »Sie haben ihm ein Alibi für die zwei Abende gegeben, an denen die Mädchen getötet worden sind. Im Maridalen und …«
    »Ja, ja, blabla«, unterbrach Irja sie.
    »Aber er war an diesen Abenden nicht mit Ihnen zusammen, wie Sie es bei den Verhören angegeben haben, oder?«
    »Wie soll ich mich denn jetzt noch daran erinnern? Ich hatte damals doch den stehenden Befehl, das zu sagen.«
    »Was für einen Befehl?«
    »Valentin hat das mal gesagt, als wir nachts zusammen waren … Sie wissen schon, beim ersten Mal. Er meinte,

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