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Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)

Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)

Titel: Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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auch in Richtung Schwingtür gehen. Doch dann schien sie ihre Entscheidung zu revidieren, schwang auf dem Absatz herum und kam mit einem strahlenden Lächeln und blitzenden Augen auf sie zugesegelt. Isabelle erinnerte Ulla an eine dramatisch ausgeformte Galionsfigur, die durch die Wellen auf sie zupflügte.
    »Ulla!«, rief sie schon aus einigen Metern Entfernung, als begegnete sie einer lange verschollenen guten Freundin.
    Ulla stand auf. Der Gedanke an die Frage, die jetzt kommen musste, quälte sie bereits: Was machen Sie denn hier?
    »Schön, Sie hier zu sehen. Die kleine Party neulich bei Ihnen war wirklich nett!«
    Isabelle Skøyen hatte ihre Hand auf Ullas Schulter gelegt und beugte sich bereits vor, um Ulla mit einem Kuss auf die Wange zu begrüßen. Kleine Party? Sie waren zweiunddreißig Gäste gewesen.
    »Nur schade, dass ich so früh gehen musste.«
    Ulla erinnerte sich, dass Isabelle recht angetrunken gewesen war. Und dass die große, attraktive Senatorin für eine ganze Weile mit Mikael auf der Terrasse verschwunden war, während sie selbst drinnen servieren musste. Einen Moment lang war Ulla damals fast eifersüchtig gewesen.
    »Das macht doch nichts, es war uns eine Ehre, dass Sie überhaupt gekommen sind.« Ulla hoffte, dass ihr Lächeln nicht so steif aussah, wie es sich anfühlte.
    »Isabelle.« Die Sozialsenatorin blickte auf sie herunter. Musterte sie. Als suchte sie nach etwas. Die Antwort auf die Frage, die sie noch nicht gestellt hatte: Was machen Sie denn hier, meine Liebe?
    Ulla entschied sich für die Wahrheit, die sie später auch Mikael gegenüber erwähnen würde.
    »Ich muss leider gleich weiter«, sagte Isabelle, ohne Anstalten zu machen, zu gehen oder Ulla aus ihrem Blick zu entlassen.
    »Ja, Ihr Tag ist bestimmt hektischer als meiner«, sagte Ulla und hörte zu ihrer Verärgerung, dass sie doch wieder dieses dumme Lachen von sich gab, das sie eigentlich lassen wollte. Isabelle sah sie noch immer an, und Ulla hatte plötzlich das Gefühl, als wollte die fremde Frau die Antwort aus ihr herausquetschen, ohne überhaupt zu fragen: Was machte die Frau des Polizeipräsidenten hier in der Rezeption des Grand Hotels?
    Mein Gott, dachte sie etwa, Ulla würde hier einen Liebhaber treffen? War sie deshalb so diskret? Ulla spürte, dass ihr verkrampftes Lächeln sich etwas lockerte und sie schließlich so lächelte, wie sie lächeln wollte. Mit den Augen. Fast hätte sie Isabelle Skøyen direkt ins Gesicht gelacht. Aber warum sollte sie das tun? Das Merkwürdige war bloß, dass auch Isabelle so aussah, als würde sie lachen.
    »Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder«, sagte sie und drückte Ullas Hand zwischen ihren großen, kräftigen Fingern.
    Dann drehte sie sich um und segelte zurück durch die Lobby in Richtung Ausgang, wo ein Page bereits zur Tür eilte, um ihren Abgang zu begleiten. Ulla sah noch, wie sie ihr Handy aus der Tasche nahm und eine Nummer eintippte, bevor sie durch die Schwingtür verschwand.
    Mikael stand an der Tür des Aufzugs, der nur wenige Schritte von dem samischen Zimmer entfernt war. Er sah auf die Uhr. Es waren nur drei oder vier Minuten vergangen, aber das musste reichen, eigentlich kam es ja nur darauf an, dass sie nicht zusammen gesehen wurden. Es war immer Isabelle, die das Zimmer buchte. Wenn er dann zehn Minuten später eintraf, erwartete sie ihn schon im Bett. Ihr gefiel das so. Aber ihm auch?
    Zum Glück waren es nur drei Minuten vom Grand bis zum Rathaus, in dem der Senatsleiter auf ihn wartete.
    Die Türen des Fahrstuhls öffneten sich, und Mikael trat ein. Drückte auf Erdgeschoss. Der Fahrstuhl setzte sich in Bewegung und hielt gleich darauf wieder an. Die Türen öffneten sich.
    »Guten Tag.«
    Deutsche Touristen. Ein älteres Ehepaar. Auf der Brust ein alter Fotoapparat in einer braunen Lederhülle. Er lächelte und machte gutgelaunt Platz. Isabelle hatte recht, es war eine Riesenerleichterung für ihn, dass der Patient endlich tot war. Von seinen langen Nackenhaaren lief ein Tropfen Wasser über seinen Hals und wurde vom Hemdkragen aufgesaugt. Ulla hatte ihm geraten, sich für den neuen Job die Haare schneiden zu lassen, aber warum? Unterstrich sein jugendliches Aussehen doch gerade den wichtigsten Punkt, dass er – Mikael Bellman – der jüngste Polizeipräsident war, den Oslo je gehabt hatte.
    Mikael drückte noch einmal den Knopf, und die Türen schlossen sich.
    Sie fuhren schweigend nach unten.
    Als die Türen sich öffneten und sie in die Lobby

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