Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)
traten, vibrierte das Handy an seinem Oberschenkel. Es war ein Anruf eingegangen, während er im Fahrstuhl gewesen war, von Isabelle. Er wollte sie gerade zurückrufen, als er eine SMS empfing.
Habe gerade in der Lobby mit Deiner Frau gesprochen
Mikael blieb wie angewurzelt stehen, aber es war zu spät.
Ulla saß in einem Sessel direkt vor ihm. Wie hübsch sie war. Sie hatte sich zurechtgemacht. Mehr als sonst. Die Überraschung war ihr anzusehen.
»Hallo, Liebes«, platzte er heraus und hörte, wie falsch seine Worte klangen. Auch ihr Gesichtsausdruck ließ daran keinen Zweifel.
Ihr Blick klebte auf ihm, und die Überraschung in ihren Augen wich langsam etwas anderem. Mikael Bellmans Hirn arbeitete auf Hochtouren. Es empfing Signale, bearbeitete Informationen, suchte nach Zusammenhängen und schlussfolgerte. Er konnte die nassen Spitzen seiner Haare nicht einfach ignorieren oder dass sie Isabelle gesehen hatte und dass auch ihr Hirn blitzschnell kalkulierte. So ist das menschliche Gehirn nun mal. Unerbittlich setzt es alle Informationen zu einem logischen Ganzen zusammen. Jetzt war die Überraschung in ihrem Blick voll und ganz einer Form von Gewissheit gewichen. Sie senkte den Kopf, so dass sie auf seinen Bauch blickte, als er vor sie trat.
Er erkannte ihre Stimme kaum wieder, als sie flüsterte: »Da hast du ihre SMS wohl ein bisschen zu spät bekommen.«
Katrine drehte den Schlüssel im Schloss herum und zog an der Tür, aber sie klemmte.
Gunnar Hagen trat vor und rüttelte sie los.
Warme, stickige Feuchtigkeit schlug den fünf Personen entgegen.
»Hier«, sagte Gunnar Hagen. »Wir haben hier seit dem letzten Mal nichts verändert.«
Katrine betrat als Erste den Raum und schaltete das Licht ein. »Willkommen in der Bergenser Polizeizweigstelle Oslo«, sagte sie trocken.
Beate Lønn trat über die Türschwelle. »Hier sollen wir uns also verstecken?«
Die Neonröhren warfen blaues, kaltes Licht in den viereckigen, fensterlosen Betonraum mit dem graublauen Linoleumboden und den kahlen Wänden. Es gab drei Schreibtische samt Stühlen und PC . Auf einem Tisch thronten eine braun verkrustete Kaffeemaschine und ein Wasserkanister.
»Wir haben unser Büro im Keller des Präsidiums?«, fragte Ståle Aune ungläubig.
»Formell betrachtet, befinden wir uns hier im Zuständigkeitsbereich des Osloer Gefängnisses«, sagte Gunnar Hagen. »Der Tunnel, an dem der Raum liegt, führt unter dem Park hindurch, und wenn man die Treppe gleich hier hinter der Tür hochgeht, landet man im Empfangsbereich des Gefängnisses.«
Seine Antwort wurde von den ersten Klängen von George Gershwins »Rhapsody in Blue« untermalt. Hagen nahm sein Handy. Katrine blickte über seine Schulter und las den Namen Anton Mittet auf dem Display. Hagen drückte das Gespräch weg und steckte das Handy zurück in die Tasche.
»Wir haben jetzt eine Besprechung des Ermittlungsteams, ich lasse euch dann mal allein«, sagte er.
Die anderen blieben stehen und sahen sich wortlos an, nachdem Hagen gegangen war.
»Das ist aber warm hier«, sagte Katrine und knöpfte sich die Jacke auf. »Dabei sehe ich gar keine Heizung.«
»Die Kessel der Heizanlage des Gefängnisses stehen nebenan«, sagte Bjørn Holm mit einem Lachen und warf seine Jacke über die Lehne des Stuhls neben sich. »Wir haben das damals nur den Heizraum genannt.«
»Du warst schon mal hier?« Aune lockerte seine Fliege.
»Oh ja. Aber damals hatten wir noch eine kleinere Gruppe.« Er deutete mit dem Kopf zu den Tischen, »Drei, wie ihr sehen könnt. Den Fall haben wir trotzdem gelöst. Damals war Harry der Chef …« Sein Blick huschte zu Katrine. »Also, ich wollte damit nicht …«
»Ist schon in Ordnung, Bjørn«, sagte Katrine. »Ich bin nicht Harry, und ich bin hier auch nicht die Chefin. Auch wenn ihr offiziell mir Bericht zu erstatten habt, damit Hagen seine Hände in Unschuld waschen kann. Aber ich habe mehr als genug mit mir selbst zu tun. Ich würde sagen, Beate ist die Chefin. Sie ist von uns allen am längsten dabei und hat Führungserfahrung.«
Alle Blicke richteten sich auf Beate. Sie zuckte mit den Schultern. »Wenn ihr das wollt, kann ich, soweit das überhaupt nötig ist, die Leitung übernehmen.«
»Das wird nötig sein«, sagte Katrine.
Aune und Bjørn nickten.
»Gut«, sagte Beate. »Dann lasst uns loslegen. Wir haben Handyempfang und Internetanschluss. Und wir haben … Kaffeetassen.«
Sie holte hinter der Kaffeemaschine eine weiße Tasse hervor.
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