Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)
auch, wie. Der Kaffee. Das Geräusch, das er auf dem Flur gehört hatte. Die Schachtel, in der nur noch diese eine Kapsel gewesen war. Er hatte sich ja gefragt, ob der Deckel perforiert gewesen war. Das Mittel musste durch das Aluminium in den Kaffee gespritzt worden sein. Anschließend hatte der Betreffende nur abwarten müssen, dass Anton sich seinen eigenen Schlaftrunk braute, Espresso mit Nitrazepam.
Es hieß, der Patient sei eines natürlichen Todes gestorben. Oder genauer gesagt, dass es keine Anhaltspunkte gebe, die auf eine Straftat hindeuteten. Ein wichtiger Teil dieser Schlussfolgerung basierte natürlich auf Antons Aussage, der angegeben hatte, dass nach der Visite des Arztes etwa zwei Stunden vor dem Tod des Patienten niemand sein Zimmer betreten hatte.
Anton wusste, was er zu tun hatte. Er musste den Vorfall melden. Er griff zu seinem Telefon. Einen neuerlichen Fehler melden. Erklären, warum er nicht gleich gesagt hatte, dass er eingeschlafen war. Er starrte auf das Display. Dieses Mal würde ihn nicht mal Gunnar Hagen retten können. Er legte das Telefon wieder hin. Er wollte wirklich anrufen. Aber noch nicht jetzt.
Mikael Bellman band sich vor dem Spiegel seinen Schlips.
»Du warst gut heute«, sagte die Stimme im Bett.
Mikael musste ihr recht geben. Im nächsten Moment stand Isabelle Skøyen hinter ihm auf und zog ihre Strümpfe an. »Hat das was damit zu tun, dass er tot ist?«
Sie warf die Tagesdecke aus Rentierleder über die Steppdecke. Über dem Spiegel hing ein beeindruckendes Geweih, und an den Wänden prangten Bilder samischer Künstler. Die Zimmer in diesem Flügel waren von Künstlerinnen gestaltet worden, die den Räumen auch ihren Namen gegeben hatten. Das Zimmer, das sie für diese Mittwoche gebucht hatten, war nach einer Joikerin benannt. Man hatte sich an der Rezeption entschuldigt, weil japanische Gäste kurz vorher das Geweih des Rentierbullen gestohlen hatten. Sie hingen vermutlich noch immer dem Aberglauben an, dass das Hornextrakt die Potenz steigerte. Mikael hatte bei den letzten Malen selbst daran gedacht. Heute allerdings nicht. Vielleicht hatte sie recht. Vielleicht war es wirklich die Erleichterung, dass dieser Patient endlich gestorben war.
»Ich will nicht wissen, wie das abgelaufen ist«, sagte er.
»Ich könnte es dir ohnehin nicht sagen«, erwiderte sie und zog den Rock hoch.
»Lass uns nicht mehr drüber reden.«
Sie stellte sich hinter ihn und biss ihm in den Nacken.
»Sieh nicht so besorgt aus«, lachte sie. »Das Leben ist ein Spiel.«
»Für dich vielleicht. Ich habe noch immer diese schrecklichen Polizistenmorde aufzuklären.«
»Du musst nicht wiedergewählt werden. Ich hingegen schon. Aber sehe ich deshalb besorgt aus?«
Er zuckte mit den Schultern. Streckte sich nach seiner Jacke. »Gehst du zuerst?«
Er lächelte, als sie seinen Hinterkopf tätschelte.
Hörte ihre Absätze in Richtung Tür klackern.
»Kann sein, dass ich nächsten Mittwoch nicht kann«, sagte sie. »Die Senatssitzung ist verschoben worden.«
»Okay«, sagte er und spürte, dass es genau das war, okay. Nein, mehr als das, er war erleichtert. Spürbar.
Bei der Tür blieb sie stehen und lauschte wie gewohnt auf Schritte, um sicherzugehen, draußen auf dem Flur freie Bahn zu haben. »Liebst du mich?«
Er öffnete den Mund. Sah sich im Spiegel. Registrierte das schwarze Loch inmitten seines Gesichts, aus dem kein Laut kam. Und hörte ihr leises Lachen.
»Das war ein Scherz«, flüsterte sie. »Aber du hast Angst gekriegt, nicht wahr? Zehn Minuten.«
Die Tür ging auf und fiel hinter ihr ins Schloss.
Sie hatten vereinbart, dass der andere das Zimmer zehn Minuten später verließ. Er wusste nicht mehr, ob das ihre oder seine Idee gewesen war. Damals waren sie vermutlich davon ausgegangen, dass die Gefahr, in der Lobby auf einen neugierigen Journalisten oder ein bekanntes Gesicht zu stoßen, recht hoch war, doch bis jetzt war es nie zu einer solchen Begegnung gekommen.
Mikael nahm den Kamm und kämmte sich die etwas zu langen Haare. Die Spitzen waren noch nass von der Dusche. Isabelle duschte nie, nachdem sie Sex gehabt hatten, sie liebte es, ihn anschließend noch zu riechen, meinte sie. Er sah auf die Uhr. Der Sex war heute wirklich gut gewesen, er hatte gar nicht an Gusto denken müssen und den Höhepunkt sogar noch hinauszögern können. So lange, dass er jetzt zu spät zu der Sitzung im Rathaus kam, wenn er die vollen zehn Minuten wartete.
Ulla Bellman sah auf die Uhr,
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