Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)
weißer Wal. Ein Polizistenserienmörder ist dann vermutlich ein weißer Wal mit rosa Punkten. Davon gibt es keine zwei.«
»Dann sind wir uns also einig, dass das derselbe Täter ist«, stellte Beate fest.
»Die Haftstrafe killt dann aber unsere Theorie, dass Valentin Gjertsen an seine alten Tatorte zurückkehrt und die Morde wiederholt.«
»Trotzdem«, sagte Bjørn. »Das ist der erste Mord, bei dem er auch die Vorgehensweise kopiert hat. Die Schläge ins Gesicht, das Auto im Fluss. Das hat doch was zu sagen.«
»Ståle?«
»Vielleicht hat er das Gefühl, besser geworden zu sein, er perfektioniert seine Morde, indem er sie zu waschechten Kopien macht.«
»Hör auf«, fauchte Katrine. »Bei dir hört sich das an, als wäre er ein Künstler.«
»Ja?«, sagte Ståle und sah sie fragend an.
»Lønn!«
Sie drehten sich um. Oben am Weg kam ein Mann mit flatterndem Hawaiihemd auf sie zu. Sein Bauch schwabbelte, und die Locken tanzten um seinen Kopf, aber das hohe Tempo seiner Schritte schien mehr der Steilheit des Geländes als seiner Sportlichkeit geschuldet zu sein.
»Lasst uns abhauen«, sagte Beate.
Bjørn versuchte zum dritten Mal, den Motor seines Amazon anzulassen, als ein Zeigefingerknöchel an das Seitenfenster klopfte, hinter dem Beate saß.
Leise stöhnend kurbelte sie die Scheibe herunter.
»Roger Gjendem«, sagte sie. »Hat die Zeitung Aftenposten wieder ein paar Fragen, auf die ich mit Kein Kommentar antworten kann?«
»Das ist jetzt schon der dritte Polizistenmord«, keuchte der Mann im Hawaiihemd, und Katrine dachte, dass Bjørn rein konditionstechnisch die »Rote Laterne« damit abgegeben hatte. »Haben Sie schon eine Spur?«
Beate Lønn lächelte.
» K-E-I-N K-O-M- …«, buchstabierte Roger Gjendem, während er so tat, als notierte er sich etwas. »Wir haben uns umgehört. Das ist ja ziemlich ländlich hier. Ein Tankwart hat ausgesagt, dass Mittet gestern am späten Abend noch getankt hat. Er meint, er wäre allein gewesen. Bedeutet das …?«
»Kein …«
»… Kommentar. Glauben Sie, dass der Polizeipräsident den Befehl geben wird, von jetzt ab nur noch mit einer geladenen Dienstwaffe herumzulaufen?«
Beate zog eine Augenbraue hoch. »Wie meinen Sie das denn?«
»Na ja, ich denke an die Dienstwaffe in Mittets Handschuhfach.« Gjendem beugte sich vor und sah die anderen skeptisch an. Hatten sie nicht einmal diese Basisinformation? »Sie war nicht geladen, obwohl daneben eine Schachtel Patronen lag. Mit geladener Waffe hätte er sein Leben vielleicht retten können.«
»Wissen Sie was, Gjendem?«, sagte Beate. »Setzen Sie einfach ein Wiederholungszeichen hinter die erste Antwort, die Sie bekommen haben. Obwohl ich es vorziehen würde, wenn Sie unsere kleine Begegnung hier überhaupt nicht erwähnen.«
»Warum nicht?«
Der Motor startete mit einem leisen Fauchen.
»Einen schönen Tag noch, Gjendem.« Beate begann das Fenster nach oben zu kurbeln. Aber nicht schnell genug, um die letzte Frage nicht zu hören.
»Vermisst ihr ihn?«
Holm ließ die Kupplung kommen.
Katrine sah Roger Gjendem im Rückspiegel kleiner werden. Erst als sie Liertoppen passiert hatten, sprach sie aus, was alle dachten.
»Gjendem hat recht.«
»Ja«, seufzte Beate. »Aber er ist nun wirklich nicht mehr verfügbar, Katrine.«
»Ich weiß, aber wir könnten es doch trotzdem probieren!«
»Was probieren?«, fragte Bjørn Holm. »Einen für tot erklärten Mann auf dem Friedhof ausgraben?«
Katrine starrte auf den eintönigen Wald am Rand der Autobahn. Irgendwann war sie mal in einem Polizeihelikopter über diese Gegend geflogen. Die am dichtesten bevölkerte Region Norwegens war ihr vorgekommen, als gäbe es nichts als Wald und Einöde. Orte ohne Menschen. Orte, an denen man sich verstecken konnte. Die Häuser waren winzige Lichtpunkte in der Nacht und die Autobahn ein schmaler Streifen in der undurchdringlichen Schwärze. Es war unmöglich, alles zu sehen. Man musste wittern. Lauschen. Wissen.
Sie waren in tiefem Schweigen weitergefahren, so dass sich jeder von ihnen noch an die Frage erinnerte, als Katrine auf der Höhe von Asker schließlich antwortete.
»Ja.«
Kapitel 16
K atrine Bratt überquerte den offenen Platz vor dem Chateau Neuf, dem Hauptsitz des Norwegischen Studentenverbundes. Heiße Partys, coole Konzerte, heftige Debatten, dieses Bild sollte rüberkommen, was aber nicht immer gelang.
Der Dresscode der Studenten hatte sich seit ihrer Zeit hier erstaunlich wenig geändert.
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