Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)
den Fernseher. Es war fünf Uhr morgens, aber er hatte Jetlag und konnte nicht schlafen. Das Programm war eine Wiederholung vom Vortag. Ein Komodowaran lief schwerfällig über einen Strand. Die lange Echsenzunge schob sich aus dem Maul, schwang hin und her und wurde wieder eingezogen. Das Tier folgte einem Wasserbüffel, dem es einen auf den ersten Blick harmlosen Biss zugefügt hatte. Er war ihm jetzt schon Tage auf der Spur. Rico hatte den Ton ausgestellt, und es war nur das Rauschen der Hotelklimaanlage zu hören, die die Temperatur aber nicht wirklich auf ein angenehmes Maß senkte. Rico hatte die kommende Erkältung schon im Flugzeug gespürt. Der Klassiker. Aircondition und etwas zu dünne Kleider auf dem Weg in die Wärme, und die Ferien begannen mit Kopfschmerzen, Schniefnase und Fieber. Aber er hatte Zeit, so bald würde er nicht wieder nach Hause zurückkehren. Warum auch? Er war in Pattaya, im Paradies der Perversen und Straffälligen. Alles, was er sich wünschte, gab es hier direkt vor der Tür des Hotels. Durch das Mückengitter vor dem Hotelfenster hörte er den Verkehr und die fremden Stimmen dort draußen. Thai. Er verstand nicht ein Wort. Aber das war auch nicht nötig. Denn diese Menschen waren für ihn da und nicht umgekehrt. Er hatte sie gesehen, als er vom Flughafen hierhergefahren war. Seite an Seite hatten sie vor den Go-Go-Bars gestanden. Sie waren jung, sehr jung. Und etwas dahinter, verdeckt durch die hölzernen Stände, an denen sie Kaugummi verkauften, warteten die noch viel jüngeren. Und die würden auch noch da sein, wenn er erst wieder auf den Beinen war. Er lauschte auf den Wellenschlag, wissend, dass das billige Hotel, in dem er eingecheckt hatte, viel zu weit vom Strand entfernt war, um das Wasser rauschen zu hören. Aber irgendwo dort draußen war das Meer. Das Wasser und die brennende Sonne. Die Drinks und die anderen farangs , die aus dem gleichen Grund wie er gekommen waren und ihm sicher Tipps geben konnten, wie man vorgehen musste. Und der Komodowaran.
Heute Nacht hatte er wieder von Valentin geträumt.
Rico streckte seine Hand nach der Wasserflasche auf dem Nachtschränkchen aus, aber das Wasser schmeckte wie seine eigene Mundhöhle, nach Tod und Verderben.
Man hatte ihm nur zwei Tage alte norwegische Zeitungen aufs Zimmer gebracht, zusammen mit dem westlichen Frühstück, das er kaum angerührt hatte. Er hatte noch nirgendwo eine Nachricht entdeckt, dass sie Valentin gefasst hatten. Aber das war nicht weiter verwunderlich, Valentin war ja nicht mehr Valentin.
Rico hatte sich gefragt, ob er nicht diese Polizistin, Katrine Bratt, anrufen und ihr sagen sollte, dass Valentin sich verwandelt hatte. Rico hatte ja gesehen, was man hier unten in einer Privatklinik für ein paar norwegische Tausender machen lassen konnte. Er konnte natürlich auch anrufen und anonym den Hinweis geben, dass Valentin in der Nähe des Fischladens gesehen worden war und dass er eine umfangreiche plastische Operation hinter sich hatte. Ohne etwas als Gegenleistung zu verlangen. Einfach eine selbstlose Hilfeleistung, damit sie Valentin schnappten und er endlich wieder schlafen konnte, ohne von ihm zu träumen.
Der Komodowaran wartete ein paar Meter von dem Wasserloch entfernt, in dem sich der Wasserbüffel in den kühlenden Schlamm gelegt hatte, anscheinend unbeeindruckt von dem drei Meter langen, hungrigen Monster, das immer nur wartete.
Rico spürte die Übelkeit kommen und schwang die Beine aus dem Bett. Seine Muskeln schmerzten. Verdammt, hatte er sich jetzt eine richtige Grippe eingefangen?
Als er aus dem Bad zurückkam, brannte die Galle noch immer in seiner Speiseröhre, aber er hatte einen Entschluss gefasst. Zwei Entschlüsse. Er wollte in eine dieser Praxen gehen und sich starke Medikamente holen, stärker, als er sie in Norwegen bekommen würde. Und er wollte die Kommissarin anrufen, wenn er sich wieder besser fühlte. Ihr eine Beschreibung geben. Und dann wollte er schlafen.
Er schaltete den Ton wieder ein. Eine enthusiastische Stimme erklärte auf Englisch, dass man lange der Meinung gewesen sei, the komodo dragon töte seine Opfer mit bakteriell infiziertem Speichel, der beim Biss in die Blutbahn der Beutetiere injiziert wurde. Doch jetzt hatte man herausgefunden, dass die Echse tatsächlich Giftdrüsen im Kiefer hatte und dass dieses Gift verhinderte, dass das Blut der gebissenen Tiere gerann, und sie damit schon an kleinen Wunden verbluteten.
Rico lief ein Schauer über den
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