Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)
Rücken. Er schloss die Augen, um zu schlafen. Rohypnol. Auch diesen Gedanken hatte er schon gehabt. Vielleicht war das ja gar keine Grippe, sondern die Abstinenz. Aber Rohypnol gab es hier in Pattaya vermutlich schon per Zimmerservice. Er riss die Augen auf und bekam plötzlich keine Luft mehr. In einem Augenblick der reinen, klaren Panik stemmte Rico die Hüften hoch und wedelte mit den Händen vor sich herum, als wollte er einen unsichtbaren Angreifer abwehren. Es war genau wie im Fischladen. Kein Sauerstoff! Dann bekam seine Lunge endlich, was sie wollte, und er fiel wieder nach hinten auf die Matratze.
Er starrte zur Tür.
Sie war verschlossen.
Da war niemand. Nur er.
Kapitel 20
K atrine ging im Dunkeln nach oben. Ein blasser, anämischer Mond hing niedrig hinter ihr am Himmel, doch das Präsidium reflektierte nichts von dem Licht, das er abgab, sondern sog wie ein schwarzes Loch alles in sich auf. Sie sah auf die kompakte, nüchterne Armbanduhr, die sie von ihrem Vater bekommen hatte, einem gescheiterten Polizisten mit dem Spitznamen Eisen-Rafto. Es war Viertel nach elf.
Sie drückte die Tür des Präsidiums auf. Das merkwürdig starrende Bullauge war ebenso abweisend wie die Schwere der Tür. Als begänne das Misstrauen bereits hier.
Sie winkte in Richtung des Nachtportiers, der irgendwo verborgen zu ihrer Linken saß, sie aber trotzdem sah. Dann öffnete sie die Tür des Atriums und ging an der unbesetzten Rezeption vorbei zum Fahrstuhl, mit dem sie ins erste Untergeschoss fuhr. Auf dem notdürftig beleuchteten Flur hörte sie nur ihre eigenen Schritte.
Während der Öffnungszeiten stand die Stahltür der Asservatenkammer immer auf, so dass man gleich an die Rezeption kam. Sie nahm den Schlüssel heraus, den Beate ihr gegeben hatte, steckte ihn ins Schloss und öffnete die Tür. Dann betrat sie den Raum und blieb lauschend stehen, ehe sie die Tür hinter sich schloss.
Sie schaltete das Licht im Eingangsbereich ein, klappte die Tischplatte hoch und begab sich in das dichte Dunkel des Lagers, das der Lichtkegel ihrer Taschenlampe kaum durchdrang, um die Regale mit den breiten Brettern zu finden, auf denen die milchigweißen Plastikkisten standen, in denen man einzelne Gegenstände erahnen konnte. Hier schien ein Mensch mit Sinn für Ordnung am Werk gewesen zu sein, denn die Kästen standen mit ihrer Schmalseite exakt in einer Flucht. Katrine ging schnell, den Blick auf die Fallnummern gerichtet, die auf dem Plastik vermerkt waren.
Sie war fast am Ende der mittleren Regalreihe, als der Lichtschein ihrer Lampe auf dem untersten Regalbrett auf die Kiste fiel, die sie suchte. Katrine zog sie heraus, stellte sie auf den Boden des Gangs und nahm den Deckel ab. Der Inhalt stimmte mit dem Bericht überein. Ein Eiskratzer. Ein Sitzbezug. Eine Tüte mit einigen Haaren und eine mit einem Kaugummi. Sie legte die Lampe aus der Hand, öffnete die Tüte, nahm den Inhalt mit einer Pinzette heraus und wollte ein kleines Stück herauslösen, als sie in der klammen Kälte einen Lufthauch bemerkte.
Sie sah auf ihren Unterarm, der sich im Lichtschein der Lampe befand, und erkannte den Schatten der kleinen schwarzen Härchen, die sich aufgestellt hatten. Dann hob sie den Blick, nahm die Lampe und richtete sie auf die Wand. Unter der Decke war eine Luke. Vermutlich zur Belüftung, aber diese Luke allein konnte unmöglich die Luftbewegung hervorgerufen haben.
Sie lauschte.
Nichts. Absolut nichts, nur das Rauschen ihres eigenen Bluts in den Ohren.
Sie konzentrierte sich wieder auf das harte Kaugummi. Schnitt ein Stückchen mit dem Schweizer Messer ab, das sie mitgebracht hatte. Und erstarrte.
Es kam aus Richtung der Eingangstür und war so weit entfernt, dass ihr Ohr es nicht richtig identifizieren konnte. War das ein Klirren von Schlüsseln? Das Klappen der Tischplatte? Oder spielten ihr die Eigengeräusche dieses großen Gebäudes einen Streich?
Katrine schaltete die Lampe aus und hielt die Luft an. Blinzelte ins Dunkel, als könnte sie dann besser sehen. Es war still. Still wie in …
Sie versuchte, den Gedanken nicht zu Ende zu denken.
Stattdessen versuchte sie, sich auf einen anderen Gedanken zu konzentrieren, damit ihr Herz wieder langsamer schlug: Was war das Schlimmste, was ihr hier passieren konnte? Dass sie als etwas zu diensteifrig entlarvt wurde, einen Rüffel erhielt und vielleicht zurück nach Bergen geschickt wurde?
Sie wartete. Lauschte.
Nichts.
Noch immer nichts.
In diesem Moment realisierte
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