Koma
auf. »Was, zum Teufel, stellst du überhaupt jetzt wieder an?«
»Ich habe endlich von einigen Koma-Patienten die Krankenblätter. Nicht alle, aber ein paar.«
»Großer Gott! Du bist wirklich ein Phänomen. Erst bringst du es fertig, aus dem Krankenhaus gejagt zu werden. Und dann hast du noch die Stirn, dich nicht nur einfach wieder einzuschleichen, sondern dir auch noch die Krankenblätter hier unter den Nagel zu reißen. Man darf ja wohl kaum annehmen, daß sie so einfach herumlagen und jeder, der vorbeispazierte, reingucken konnte. Wie bist du drangekommen?«
Bellows sah Susan erwartungsvoll an und nippte an seinem Kaffee. Susan grinste nur.
»Nein, bloß das nicht!« stöhnte Bellows plötzlich auf und schlug die Hände vor die Stirn. »Natürlich, die Schwesterntracht!«
»Klar. Das lief wie am Schnürchen. Bin dir für den Tip wirklich dankbar.«
»Stopp, stopp! Mach mich nur nicht zum Urheber der Geschichte. Raus damit, was hast du angestellt? Hast du etwa die Sicherheitsleute dazu gekriegt, dir McLearys Büro aufzuschließen, oder wo die Dinger auch immer lagen?«
»Mark, du machst dich.«
»Bist du dir eigentlich bewußt, daß du jetzt strafbare Handlungen begehst?«
Susan nickte bejahend. Sie sah auf die Blätter, die sie mit ihrer kleinen ordentlichen Schrift gefüllt hatte.
Bellows’ Blick folgte dem ihren. »Na und? Haben sie dir weitergeholfen bei deinem … deinem Kreuzzug?«
»Nicht viel, kann man nicht sagen. Wenigstens bis jetzt nicht. Vielleicht bin ich auch nicht schlau genug, die Spur zu finden. Ich wünschte, ich hätte alle Unterlagen. Bis jetzt läßt sich nur folgendes feststellen: Die Betroffenen waren relativ jung, zwischen fünfundzwanzig und zweiundvierzig Jahre alt. Geschlecht, Rasse, sozialer Hintergrund unterschiedlich. In den medizinischen Vorgeschichten kann ich ebenfalls keinen gemeinsamen Faktor finden. Alle gesundheitlichen Merkmale bis zum Eintritt des Komas waren ganz und gar unauffällig, die behandelnden Ärzte vor der Aufnahme in das Memorial jedesmal andere. In den Chirurgie-Fällen hatten nur zwei Patienten denselben Anästhesisten. Die anästhetischen Wirkstoffe variieren, wie nicht anders zu erwarten. In der präoperativen Medikation gibt es einige Überschneidungen. Ein paar bekamen Demerol und Phenergan, andere aber wieder ganz andere Mittel. Innovar wurde in zwei Fällen angewandt. Aber das alles sind keine überraschenden Entdeckungen.«
Susan machte eine Pause, dann: »Soweit ich von hier aus sagen kann, ohne in den OP-Trakt hinaufzugehen, ereigneten sich die meisten Chirurgie-Fälle, wenn nicht alle, im OP acht. Das klingt zuerst eigenartig, läßt sich aber erklären. Denn in diesem OP werden meistens die kürzeren Operationen gemacht, und das Problem scheint nur oder fast nur bei kürzeren Operationen aufzutreten. Die Laborwerte sind im allgemeinen normal. Mir fiel auf, daß in allen Fällen sowohl Blutgruppenais auch Gewebebestimmungen gemacht wurden. Gehört das zur normalen Prozedur?«
»Die Blutgruppe wird bei den meisten Patienten bestimmt, vor allem, wenn die Operation größeren Blutverlust erwarten läßt. Gewebebestimmung ist eigentlich nicht die Norm. Möglicherweise macht das Labor das von sich aus, um einen neuen Apparat oder ein Serum zu testen. Sieh doch mal nach, ob in einem der Krankenblätter der Laborbericht eine Rechnungsnummer für die Gewebebestimmung aufweist.«
Susan blätterte zurück, bis sie in der ihr gerade vorliegenden Akte den Laborbericht fand. »Nein, keine Rechnungsnummer.«
»Siehst du! Damit ist das auch erklärt. Das Labor macht es auf eigene Kosten. Das ist keineswegs ungewöhnlich.«
»Die Patienten aus der Inneren hingen aus irgendwelchen Gründen alle am Tropf.«
»Wie neunzig Prozent aller Patienten im ganzen Krankenhaus.«
»Ich weiß.«
»Hört sich so an, als hättest du nicht gerade eine Goldmine entdeckt.«
»Da kann ich leider nicht widersprechen.« Susan saugte an ihrer geschundenen Unterlippe. »Mark, bevor einem Patienten die Atemröhre eingeführt wird, lähmt ihn der Anästhesist doch. Und dazu nimmt er Succinylcholin, nicht wahr?«
»Ja, Succinylcholin oder Curare. Meistens ersteres.«
»Und wenn der Patient davon eine pharmakologische Dosis bekommt, kann er nicht mehr atmen.«
»Stimmt.«
»Könnte denn nicht eine Überdosis Succinylcholin zu einem kritischen Sauerstoffmangel führen? Wenn die Patienten nicht atmen können, kommt auch kein Sauerstoff ins Gehirn.«
»Susan, sobald der
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