Koma
markiert. Über Saal 8 suchte und fand Susan die grüne Sauerstoffleitung. Sie kam aus dem OP 8, führte bis zum Flur, bog dann im rechten Winkel ab und verlief parallel zur Korridorwand, zusammen mit anderen ähnlichen Röhren aus den anderen OPs. Als Susan weitere Operationssäle überquerte, gesellten sich immer mehr Sauerstoffröhren zu der Leitung, deren Lauf sie verfolgte. Um Verwechslungen auszuschließen, hielt Susan auf dem ganzen Weg bis zum Versorgungsschacht den Finger an die Leitung aus Saal 8. Direkt am Schachtrand stieß ihr Finger gegen einen Widerstand. Im Dämmerlicht beugte sie sich hinab und sah einen Anschlußstutzen aus rostfreiem Stahl. Und daran saß ein Hochdruck-T-Ventil: an der Sauerstoffleitung zum OP Nummer 8!
Susan starrte das Ventil an, untersuchte dann die anderen Gasleitungen, die aus dem Schacht kamen. An keiner entdeckte sie ähnliche Ventile. Das bedeutete: An dieser Stelle konnte die Sauerstoffzufuhr zum OP 8 angezapft werden. Aber ebenso konnte man durch dieses Ventil etwas anderes, möglicherweise ein anderes Gas, in die Leitung einspeisen.
Indem sie sich auf dem festen Deckenteil über den OPs hielt, kam Susan leicht zurück zur Gegend des Hauptpults. Aber dann begann der schwierige Teil: Vor ihr lag die große Fläche mit den dünnen Platten, wo sie wieder auf die Rohre klettern mußte. Susan hatte schon bald keine Ahnung mehr, wo sie sich befand. Wenn sie auf dem Hinweg doch nur eine Spur aus Brotkrümeln oder Papierschnipseln gelegt hätte! So aber blieb ihr nichts anderes übrig, als die Platten anzuheben und hin und wieder nach unten zu spähen. Das erste Mal war sie noch über der Halle. Beim nächsten Mal fand sie sich über dem Ärzte-Umkleideraum. Als sie die dritte Platte anhob, merkte sie, daß sie den Umkleideraum der Schwestern erreicht hatte. Aber noch war sie zu weit von den Schränken entfernt, um hinabklettern zu können. Erst die vierte Platte lag genau richtig, und Susan hatte für den Rest des Rückwegs keine Schwierigkeiten mehr.
Donnerstag
26. Februar
1 Uhr nachts
Keine Metropole kommt nachts völlig zur Ruhe, auch Boston nicht. Aber anders als in vielen großen Städten herrscht in Boston den größten Teil der Nacht über eine eigenartige Stille. Als das Taxi mit Susan den Storrow Drive hinunterraste, begegneten sie nur zwei oder drei anderen Autos. Alle fuhren in entgegengesetzter Richtung. Susan war unbeschreiblich müde und sehnte sich nach nichts als Schlaf. Hinter ihr lag ein Tag, wie sie noch nie einen erlebt hatte.
Die Platzwunde an ihrer Lippe und die Prellung im Gesicht schmerzten sie immer mehr. Vorsichtig tastete sie ihre Wange ab; die Schwellung war offenbar nicht größer geworden. Rechts lag der Charles River. Sie sah über die Esplanade und den zugefrorenen Fluß. Jenseits, in Cambridge, brannten nur wenige Lichter. Sie blinkten abweisend durch die kalte Nacht. Das Taxi bog scharf links in den Park Drive ein. Susan mußte sich an den Haltegriff klammern.
Sie versuchte, eine Zwischenbilanz ihrer Unternehmungen zu ziehen. Das Ergebnis war wenig ermutigend. Nach ihrer Schätzung standen ihr für ihre Nachforschungen noch etwa sechsunddreißig Stunden zur Verfügung, bevor sie sich in akute Gefahr begab. Aber sie war in einer Sackgasse angelangt. Als das Taxi den Fenway kreuzte, mußte Susan sich eingestehen, daß sie keine Ahnung hatte, wie sie weiter vorgehen sollte. Tagsüber, das war ihr klar, konnte sie im Memorial nichts unternehmen. Die Front der Nelson, Harris, McLeary, Oren war zu stark, und ihre Schwesterntracht würde ihr kaum etwas nützen, wenn sie einem von ihnen direkt in die Arme lief.
Aber was sie brauchte, waren vor allem mehr Daten aus dem Computer. Außerdem mußte sie dringend auch die übrigen Krankenblätter einsehen. Gab es irgendeinen Weg? Ob Bellows ihr helfen würde? Susan bezweifelte das stark. Er machte sich vor allem Sorgen um seine Stellung. Ein Wurm ohne Rückgrat, ich hatte recht, dachte sie.
Und Walters’ Selbstmord? Wie kamen die Drogen ins Spiel?
Susan bezahlte den Taxifahrer und stieg aus. Auf dem Weg zur Tür beschloß sie, am nächsten Morgen soviel wie möglich über Walters in Erfahrung zu bringen. Sein Selbstmord mußte irgendwie in das Puzzle passen. Aber wie?
Mit der Hand auf der Klinke blieb sie vor der Eingangstür zum Studentenheim stehen, in der Hoffnung, daß der Portier den Summer für sie betätigen würde. Aber der Mann saß nicht in seinem Glaskasten. Fluchend kramte Susan
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