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Koma

Koma

Titel: Koma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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Patienten. Vielleicht lag ihre Zukunft doch bei der Medizin. Jedenfalls weckte die Euphorie ein Gefühl der Großmut in Susan, und der abschreckenden Hospital arbeit zum Trotz gestattete sie sich, ihren Patienten Berman auf eine leicht herablassende Weise als menschliches Wesen zu behandeln.
    »Vorhin meinten Sie, ich sähe nicht wie eine Ärztin aus«, sagte Susan, als sie den Infusionsschlauch mit Pflasterstreifen an Bermans Handrücken befestigte. »Was meinen Sie mit: wie eine Ärztin aussehen?« Ihr scherzhafter Ton sollte suggerieren, daß es ihr mehr um leichte Arzt-Patienten-Konversation zu tun war als darum, wirklich Bermans Ansichten zu erfahren.
    »Kann sein, daß es eine blödsinnige Bemerkung war«, lautete die Antwort. Berman beobachtete Susans Verrichtungen genau. »Aber ein paar Klassenkameradinnen aus dem College entschieden sich für Medizin. Einige waren ganz okay, und alle hatten was im Kopf, den Grips konnte ihnen niemand absprechen. Nur beim Fraulichen haperte es.«
    »Wahrscheinlich erschienen sie Ihnen nicht fraulich, eben weil sie Medizin studieren wollten, nicht umgekehrt.« Susan reduzierte die Tropfenfrequenz.
    »Möglich … ja, möglich«, meinte Berman nachdenklich. Susans Einwurf hatte ihm einen neuen Aspekt eröffnet. »Aber nein, ich glaube nicht. Zwei von ihnen kenne ich ziemlich gut, war mit ihnen die ganze Collegezeit zusammen. Die haben sich erst im letzten Jahr für das Medizinstudium entschieden. Und davor waren sie genausowenig feminin. Während Sie, die zukünftige Dr. Wheeler, die Weiblichkeit in Person sind.«
    Susan, eben noch begierig darauf, Berman wegen seines Urteils über die Schulkameradinnen zu verdammen, sah sich plötzlich entwaffnet. Sie wußte nicht, ob er sich über sie lustig machte oder ihr ein Kompliment zollte, aber Bermans nächste Worte entschieden die Angelegenheit.
    »Wenn ich Ihnen einen Beruf aussuchen sollte«, meinte er, »dann würde ich Sie zur Tänzerin machen.«
    Damit hatte Berman unbewußt ins Schwarze getroffen und sozusagen Susans zweites Ich bloßgelegt. Wie eine Tänzerin zu wirken war für sie zweifellos ein Kompliment, und deshalb konnte sie auch seine Bemerkung über ihre Fraulichkeit als ein solches durchgehen lassen.
    »Ich danke Ihnen, Mr. Berman«, sagte sie ernsthaft.
    »Ach, bitte, nennen Sie mich doch Sean.«
    »Also, danke schön, Sean.« Susan hörte auf, die Überreste ihrer ersten medizinischen Verrichtung einzusammeln, und sah aus dem schmutzigen Fenster. Doch sie bemerkte weder den Dreck noch die dunklen Wolken, Backsteinmauern und leblosen Bäume. Nach einer Weile sah sie Berman wieder an. »Wissen Sie, ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie dankbar ich für Ihr Kompliment bin. Vielleicht kommt es Ihnen komisch vor, aber wenn ich ehrlich bin, habe ich mich schon seit einem Jahr nicht mehr weiblich gefühlt. Darum macht mir Ihr Zuspruch solchen Mut. Nicht, daß ich mir graue Haare hätte darüber wachsen lassen, aber ich hab’ mich selbst immer mehr als …« Susan suchte nach dem richtigen Wort. »Na ja, als eine Art neutrales Wesen, ein Neutrum gesehen. Ja, Neutrum, das ist der richtige Ausdruck dafür. Das kam so nach und nach, und eigentlich fällt es mir erst richtig auf, wenn ich meinen früheren Mitschülerinnen begegne, vor allem meiner Zimmergenossin.«
    Susan stoppte ihren Redefluß und richtete sich auf. Ihre Offenheit diesem Mann gegenüber machte sie verlegen und überraschte sie. »Was schwatze ich da eigentlich? Manchmal komme ich mir selbst unglaubwürdig vor.« Sie lachte. »Ich kann mich nicht mal wie eine Ärztin benehmen, geschweige denn wie eine aussehen. Und Sie haben bestimmt ganz anderes im Kopf als Interesse für meine beruflichen Anpassungsschwierigkeiten.«
    Aber Berman, der sie breit angrinste, genoß offensichtlich das Zwischenspiel.
    »Und außerdem«, fuhr Susan fort, »soll der Patient reden, nicht der Doktor. Warum erzählen Sie mir nicht etwas über sich und stopfen mir den Mund?«
    »Ich bin Architekt«, berichtete Berman. »Einer von einer Million, die Cambridge und Umgebung unsicher machen. Aber das ist eine andere Geschichte. Ich würde lieber noch etwas von Ihnen hören. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie beruhigend das ist, wenn sich hier jemand wie ein menschliches Wesen aufführt.« Bermans Augen streiften durch das Zimmer. »Hab’ ja gar nichts einzuwenden gegen eine kleine Operation, aber diese Warterei ist zum Wahnsinnigwerden. Und jeder hier ist so verdammt

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