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Koma

Koma

Titel: Koma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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Entscheidung auf Leben oder Tod zu treffen?
    Bevor die selbst eingeredete Panik über ihr zusammenschlagen konnte, floh Susan in den Korridor. Auf dem Weg zum Lift grübelte sie über Anspruch und Wirklichkeit im Leben eines Mediziners, oder besser, zwischen Wahrheit und Mythos, nämlich dem, was ein Medizinstudent wirklich war, und dem Bild, das sich die Welt von ihm machte.
    Ihr fiel ein, daß Bellows etwas vom zehnten Stock gesagt hatte. Sie drückte im Fahrstuhl auf die Zehn, ließ sich von der Menge ganz nach hinten schieben. Es war eine trostlose Fahrt. Die Leute im Lift boten ein anschauliches Bild aller erdenklichen Gebrechen. Der Aufzug hielt in jedem Stockwerk. Die Luft war heiß und stickig. Ein rücksichtsloser Mensch rauchte, trotz des deutlich angeschlagenen Verbots. Keiner sah den anderen an, alle starrten nur auf die leuchtende Anzeigetafel. Susan verfluchte die Türen, die so langsam auf- und zugingen.
    Schon im neunten Stock schob sie sich ungeduldig nach vorn. Die Ankunft im zehnten kam ihr vor wie das Erwachen aus einem Alptraum.
    Hier herrschte eine ganz andere Atmosphäre. Im zehnten Stock war der Boden mit Teppichen belegt, und die Wände leuchteten in frischem, mattglänzendem Lack. Goldene Rahmen zierten die Porträts früherer Memorial-Helden. Zwischen bequemen Sesseln standen Chippendale-Tische und zierliche Lampen. In geordneten Stapeln lagen Zeitschriften aus.
    Ein Schild gegenüber dem Lift zeigte Susan den Weg zum Konferenzraum. Als sie den Korridor durchquerte, konnte sie in die Zimmer sehen: Privatsprechzimmer und Büros für die Creme der Ärzteschaft im Memorial. Auf dem Flur saßen ein paar Patienten, lasen und warteten. Alle sahen auf, als Susan vorbeiging, die Gesichter von uniformierter Ausdruckslosigkeit.
    Weiter hinten lag das Büro des Chirurgischen Chefarztes, Dr. H. Stark. Die Tür stand halb offen, und Susan sah zwei Sekretärinnen, die eifrig tippten. Schräg gegenüber lag ein zweites Treppenhaus, und ganz am Ende des Flurs leuchtete über einer Doppelschwingtür aus Mahagoni ein Schild: Konferenz – bitte Ruhe.
    Susan betrat den Konferenzraum und schloß hinter sich leise die Tür. Sie brauchte eine Weile, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Es gab nur einen leuchtenden Fleck: ein am Kopfende des Raums groß projiziertes Dia eines Lungenschnitts. Susan erkannte die Umrisse eines Mannes, der mit einem Zeigestock die Details erläuterte.
    In der Düsternis unmittelbar vor ihr unterschied Susan nach einiger Zeit Sitzreihen und Zuhörer. Der Raum war etwa zehn Meter breit und siebzehn Meter lang und senkte sich in Richtung auf das Podium wie ein Theater- oder Hörsaal. Zum Rednerpult führten zwei Stufen hinauf. Der Projektionsapparat war in der Wand verborgen, sein Strahl aber bahnte sich den Weg durch die ganze Länge des Saals, durch den Qualm von Zigaretten und Pfeifen. Sogar in der Dunkelheit wurde Susan schnell klar, daß sie sich in einem luxuriös ausgestatteten Raum befand.
    Das nächste Farb-Dia war ein Mikroskop-Ausschnitt, und der Raum wurde etwas heller. Susan erkannte Niles’ Hinterkopf mit der dicken Beule. Er saß am Mittelgang. Sie ging hin und tippte ihn auf die Schulter. Ihre Kommilitonen hatten einen Platz für sie freigehalten, aber sie mußte sich an Niles und Fairweather vorbeidrücken, bevor sie saß, und zwar neben Bellows.
    »Haben Sie wirklich nur eine Infusion angelegt, oder handelte es sich um einen Bauchschnitt?« Bellows lehnte sich leicht zu ihr herüber. »Sie waren über eine halbe Stunde weg.«
    »Der Patient war interessant«, antwortete sie und machte sich auf eine weitere Lektion über Pünktlichkeit im Krankenhausbetrieb gefaßt.
    »Fällt Ihnen keine bessere Ausrede ein?«
    »Na schön, um die Wahrheit zu sagen: Ich mußte John Wayne eine Revolverkugel aus der Schulter holen.« Susan tat, als beanspruchte das Dia ihr ganzes Interesse. Dann warf sie Bellows einen verstohlenen Seitenblick zu. Er kicherte verhalten.
    »Wirklich, Sie sind das allerletzte, ich …«
    Plötzlich wurde er gewahr, daß der Mann am Pult eine Frage an ihn gerichtet hatte. Er hörte nur noch: »… können Sie uns ja wohl aufklären, Dr. Bellows?«
    »Tut mir leid, Dr. Stark, aber ich habe die Frage nicht mitbekommen.« Bellows steckte in Nöten.
    »Gibt es irgendwelche Anzeichen für Pneumonie?« wiederholte Stark. Das Röntgenbild einer Lunge mit einer Verschattung rechts lag hinter Starks dünner Silhouette. Die Gesichtszüge des Chirurgen waren nicht

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