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Koma

Koma

Titel: Koma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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Seite der Patientin. Vom Brustbein aus tastete er sich an den Zwischenraum über der vierten Rippe, in der anderen Hand hielt er die Spritze mit der Herznadel.
    Die Nadel war ungefähr acht Zentimeter lang. Energisch stieß Bellows sie bis zum Schaft in die Brust des Mädchens. Als er den Kolben zurückzog, drang dunkelrotes Blut in die klare Adrenalinlösung.
    »Also los«, sagte Bellows und spritzte das Adrenalin direkt ins Herz.
    Susan bekam eine Gänsehaut, als sie sich vorstellte, wie die lange Nadel sich den Weg durch das Gewebe in Nancy Greenlys Brust bahnte und wie ein Pfeil in die Herzmuskulatur eindrang. Es war ihr, als fühlte sie den kalten Stahl im eigenen Herzen.
    »Weitermachen, jetzt sind Sie wieder dran«, sagte Bellows zu Reid, der sofort die Herzmassage aufnahm. Cartwrights Nicken sollte anzeigen, daß er einen stabilen Puls fühlte. »Wenn Stark von der Sache hört, geht er die Wände hoch«, stöhnte Bellows mit Blick auf den Monitor. »Und das nach seinem Sermon über ständige Wachsamkeit in dieser Art von Fällen. Scheiße, womit hab’ ich das verdient? Wenn die hier abkratzt, geht’s mir dreckig.«
    Susan glaubte, nicht richtig gehört zu haben. Doch sie konnte sich der Erkenntnis nicht verschließen, daß Bellows und wahrscheinlich alle im Team Nancy Greenly überhaupt nicht mehr als Person sahen. Die Patientin schien statt dessen Teil eines komplizierten Spiels zu sein, so etwa wie ein Ball, der nur als Objekt zur Positionsveränderung diente, als Mittel, sich einen Vorteil zu verschaffen. Nancy Greenly war zu einer technischen Herausforderung geworden, ein Spiel, das gespielt werden mußte. Dabei waren die endgültigen Resultate weniger wichtig als die täglichen Spielzüge.
    Susan merkte, wie gespalten ihre Einstellung zur klinischen Medizin war. Im stillen sehnte sie sich nach dem alten vertrauten Hörsaal und seiner abstrakten Welt. Die Wirklichkeit war viel bitterer, kälter, ja, und im Grunde auch unpersönlicher.
    Trotzdem war es faszinierend zu sehen, wie die elementaren Kenntnisse, die ihr theoretisch beigebracht worden waren, hier in der Praxis am Menschen angewandt wurden; irgendwie bereitete es ihr eine Art akademischer Genugtuung. Susan hatte all das gelesen und auch im physiologischen Tierversuch entdeckt: Sie kannte das Drama des Herzflimmerns, wie es bei Nancy Greenly aufgetreten war.
    Sie verrenkte sich fast den Hals, um jede Einzelheit mitzubekommen, als Bellows jetzt die Pole des elektrischen Schockapparates auf Nancy Greenlys nackter Brust in Position brachte. Ein Pol saß direkt über dem Brustbein, der andere seitlich links am Thorax.
    »Achtung, alle weg vom Bett«, ordnete Bellows an. Mit dem rechten Daumen schaltete er den Kontakt ein, und der starke elektrische Schock fuhr durch Nancy Greenlys Brust, schlug blitzartig den Bogen von einem Pol zum anderen. Ihr Körper bäumte sich auf, die Arme wurden mit nach innen verdrehten Händen hochgerissen. Am elektronischen Bildschirm verschwand der Leuchtpunkt, um gleich darauf wiederzukehren, diesmal mit einem relativ normalen Laufmuster.
    »Der Puls ist weiter gut«, sagte Cartwright.
    Reid hatte die Massage beendet. Der Rhythmus blieb minutenlang normal. Dann kam eine Extrasystole, danach wieder der richtige Rhythmus, plötzlich drei Extrasystolen nacheinander.
    »Verdammt«, sagte Miss Shergood. »Das Herz ist immer noch völlig unstabil. Irgendwas muß da ganz und gar nicht in Ordnung sein.«
    »So? Dann sagen Sie uns doch, was«, meinte Bellows. »Inzwischen geben wir mal eine Portion Lidocain. Fünfzig ins Töpfchen.«
    Eine der Schwestern füllte das Mittel ab und gab die Spritze Bellows, der in den Infusionsschlauch injizierte. Susan stellte sich so, daß sie den Monitor besser sehen konnte.
    Trotz des Mittels wurde der Herzschlag immer unregelmäßiger, bald war wieder nur noch ein Flimmern zu beobachten. Bellows fluchte, Reid fing zu massieren an, und die Schwester lud den Apparat erneut auf.
    »Was, zum Teufel, geht hier nur vor?« rief Bellows, der auf seine rein rhetorische Frage keine Antwort erwartete. Er gestikulierte, daß die Patientin noch eine Ladung Bikarbonat bekommen sollte.
    Nach einer weiteren Adrenalininjektion und der zweiten Schockbehandlung wurde der Rhythmus wieder annähernd normal, aber nur für kurze Zeit, dann kehrten die gefürchteten Extrasystolen trotz zusätzlichen Lidocains wieder.
    »Das muß dieselbe Sache sein wie im OP.« Bellows beobachtete auf dem Schirm das schnell

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