Koma
in üblicher Weise für den Eingriff vorbereitet; darauf beidhändige Untersuchung mit folgendem Ergebnis: Eierstöcke, Adnexe normal, vorgebogener Uterus. Ein Spiegel wurde in die Vagina eingeführt, Blutklumpen abgesaugt. Der Gebärmutterhals wurde inspiziert und für normal befunden, Gebärmutterhalserweiterung ohne Schwierigkeiten durchgeführt, sodann Ausschabung der Gebärmutterschleimhaut. Gewebeproben an Labor. Gegen Ende des Eingriffs minimale Blutung. Der Spiegel wurde entfernt. Zu diesem Zeitpunkt auffallend: Patientin außergewöhnlich schwer aus der Narkose zu erwecken.
Susan machte eine Pause, um die rechte Hand auszuruhen, und ließ sie lose herabhängen. Beim Schreiben hatte sie die Angewohnheit, den Bleistift oder Kugelschreiber so fest zu halten, daß es Blutstaus gab. Es kribbelte, als das Blut jetzt in ihre Fingerspitzen zurückfloß. Ehe sie sich wieder an die Arbeit machte, nippte sie mehrmals an ihrem Kaffee.
Der pathologische Befund bezeichnete die Gewebeproben als wucherungsartig. Die endgültige Diagnose lautete dann: anovulare Uterusblutungen mit Wucherungen in der Gebärmutterschleimhaut. Hier, fand Susan, gab es keine Antwort auf ihre Frage.
Als nächstes kam die interessanteste Unterlage, die erste neurologische Untersuchung, unterschrieben von Dr. Carol Harvey. Obgleich Susan nicht alles verstand, machte sie sich Auszüge. Allerdings war die Handschrift teilweise kaum zu entziffern:
Anamnese: Bei der Patientin handelt es sich um eine dreiundzwanzigjährige weibliche Person weißer Hautfarbe, eingeliefert wegen (Fortsetzung unleserlich). Die medizinische Vorgeschichte der Patientin und ihrer Familie ergaben keinerlei Anhaltspunkte für neurologische Erkrankungen oder Auffälligkeiten. Die präoperativen Maßnahmen an der Patientin wurden (das Weitere unleserlich). Verlauf der Operation, den bloßen Eingriff betreffend, unauffällig. Ergebnis: Befund höchstwahrscheinlich geheilt. Während der Operation fielen jedoch kleinere Unregelmäßigkeiten betr. Puls/Blutdruck auf. Nach dem Eingriff verlängerte Bewußtlosigkeit und offenbar Paralyse. Überdosis Succinylcholin und/oder Halothan scheidet aus. (Folgt ein unleserlicher Satz.)
Untersuchung: Die Patientin liegt in tiefem Koma, reagiert weder auf Anruf noch auf Berührung oder starken Schmerz. Patientin offenbar paralysiert, allerdings schwache Reflexe Bizeps, Quadrizeps, symmetrisch. Muskeltonus wesentlich verringert, aber nicht vollständig erschlafft. Keine Zuckungen. Hirnnerv: (unleserlich) … Pupillen erweitert, ohne Reflexe. EEG: keine Aktivität.
Allgemeiner Eindruck: (beginnt unleserlich) … Koma resultierend aus diffusem Großhirnödem als Primärdiagnose. Möglichkeit einer Großhirngefäßeinwirkung oder eines Schlaganfalls nicht auszuschließen. Idiosynkratische Reaktionen auf Anästhesie-Wirkstoffe weiterhin als Möglichkeiten, jedoch … (unleserlich). Es handelt sich zweifellos um einen sehr schwierigen Fall. Der EEG-Befund mit dem Fehlen jeglicher Aktivität legt nahe: ausgebreiteter Hirntod oder -schädigung. Die gleichen Symptome sind beobachtet worden bei gleichzeitigem Mißbrauch von Alkohol und Beruhigungsmitteln, Auftreten jedoch äußerst selten. In der Literatur gibt es nur drei Beispiele. Wo immer die Ursache liegt: Akute Einwirkung auf das Gehirn der Patientin steht außer Zweifel.
Verbindlichen Dank für die Möglichkeit der Untersuchung dieses außerordentlich interessanten Falles.
Dr. Carol Harvey, Neurologie B.M.H.
Susan verfluchte die Handschrift der Neurologin. Sie trank noch einmal etwas Kaffee und schlug die nächste Seite auf. Hier fand sie eine weitere Mitteilung von Dr. Harvey:
15. Februar 1976. Neurologische Folgeuntersuchung
Zustand der Patientin unverändert. Neuerliches EEG: weiterhin keinerlei Aktivität.
Allgemeiner Eindruck: Ich habe diesen Fall mit meinen Assistenten sowie anderen neurologischen Fachärzten der Klinik eingehend diskutiert. Die übereinstimmende Diagnose heißt: akute Einwirkung auf das Gehirn, Folge: Gehirntod. Ferner lautet die allgemeine Auffassung hier, daß als unmittelbare Ursache der Komplikation ein akuter Sauerstoffmangel anzusehen ist. Ursache des Sauerstoffmangels: wahrscheinlich irgendeine Form der Einwirkung auf Großhirngefäße, möglicherweise infolge Embolie bei der Gebärmutterschleimhaut-Ausschabung. Irgendeine Art akuter idiopathischer Polyneuritis oder Gefäßentzündung könnte eine Rolle spielen.
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