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Koma

Koma

Titel: Koma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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von Aggressivität, und gegenüber Susan hegte er keinerlei Aggressionen, bisher jedenfalls nicht.
    Er mußte lächeln, als er sich vorstellte, wie er Susan küssen würde. Er erinnerte sich an ungemütliche Augenblicke in seiner frühen Jünglingszeit. Das Ritual am Ende eines Rendezvous war stets gleich: banale Unterhaltung bis zur Türschwelle, dann überfallartig die Küsserei. Bellows pflegte feste und feuchte Küsse auszuteilen. Dann trat er jedesmal einen Schritt zurück, um die Wirkung zu beobachten, zwischen der Hoffnung auf Gnade und der Angst vor Zurückweisung hin- und hergerissen. Und immer, wenn seine Annäherung akzeptiert wurde, überfiel ihn Verwunderung; meist hatte er auch selbst keine Ahnung, warum er das Mädchen überhaupt küssen wollte.
    Was hatte die Aussicht auf einen privaten Abend mit Susan mit den Erinnerungen an seine frühen Abenteuer zu tun? fragte er sich. Die Antwort hieß: Er fühlte in sich wieder ganz stark den Drang zu physischem Kontakt mit dem anderen Geschlecht, wußte aber nicht, ob er seine Erwartungen so hoch schrauben konnte. Susan war in dieser Hinsicht begehrenswert, kein Zweifel, aber bei ihr handelte es sich um eine angehende Ärztin, und das brachte sie auf die gleiche Stufe. Sie würde wenig beeindruckt von der Trumpfkarte sein, die ihm sonst im Privatleben über manche Hürde hinweghalf: Wenn er nämlich enthüllte, daß er Arzt war, sogar Chirurg. Seiner Erfahrung nach machte das stets Eindruck, obwohl das Arzt-Sein, wie er wußte, entgegen der volkstümlichen Mythologie keinerlei besondere Attribute verlieh. Ganz im Gegenteil; wenn er an viele seiner Kollegen im Memorial dachte, mußte das Eingeständnis der medizinischen Weihen eigentlich eher ein Handikap bedeuten. Doch diese Gedanken spielten in bezug auf Susan eine untergeordnete Rolle. Was ihm in Wahrheit zu schaffen machte, war die Gewißheit, daß sie einen Penis kaum als Sensation empfinden würde, höchstwahrscheinlich hatte sie nicht nur einen seziert.
    Zwar assoziierte Bellows seine sexuellen Bedürfnisse und Phantasien keineswegs mit anatomischen und physiologischen Realitäten, doch wie war das bei Susan? Mit ihrem natürlichen Lächeln, der samtweichen Haut und ihren phantastischen Brüsten sah sie völlig normal aus. Aber zu ihrer Ausbildung gehörte das Studium der parasympathischen Reflexe und inkretorischen Veränderungen, die Sex erst möglich machten, von der Lust ganz zu schweigen. Vielleicht hatte sie zuviel anatomische Kenntnisse. Vielleicht würde ihm auch, selbst wenn die Situation vielversprechend war, sein Penis selbst einen Streich spielen. Der Gedanke ließ ihn unsicher werden, ob es überhaupt ratsam war, sich mit Susan einzulassen. Schließlich suchte er die vollkommene Entspannung, wenn er dem Krankenhaus einmal den Rücken kehren konnte. Und Sex ohne Tiefgang war ein ausgezeichnetes Mittel dazu. Mit Susan aber würde es, wenn es überhaupt dazu kam, wohl kaum ohne Tiefgang bleiben. Und außerdem gab es immer noch die kitzlige Frage, ob er sich überhaupt privat und intim einer Studentin widmen durfte, die unter seiner Aufsicht die ersten Weihen der Chirurgie erhielt. Mit Sicherheit würde Bellows ein Urteil über ihre Qualifikation abgeben müssen. Steuerte er da nicht auf einen unangenehmen Konflikt zu?
    Die Fahrstuhltüren öffneten sich zum Operationstrakt, und Bellows ging mit schnellen Schritten zum Hauptpult. Dort saß ein Mann im weißen Kittel, der den Chirurgieplan für den folgenden Tag vorbereitete.
    »In welchem Saal bin ich dran?« fragte Bellows. »Ein Mr. Barron, Hämorrhoiden.«
    Der Mann blickte auf die Tagesliste. »Sind Sie Dr. Bellows?«
    »Genau.«
    »Sie sind von dem Fall entbunden worden.«
    »Entbunden? Von wem?« Bellows war perplex.
    »Von Dr. Chandler. Und er hat hinterlassen, Sie möchten umgehend in sein Büro kommen.«
    Von einem seiner eigenen Fälle entbunden zu werden, kam Bellows äußerst seltsam vor. Natürlich fiel es in die Kompetenz von Dr. Chandler, jemandem eine Operation wegzunehmen, dafür war er schließlich der dienstälteste Oberarzt. Aber Bellows empfand den Vorgang als höchst ungewöhnlich. Das eine oder andere Mal war er abberufen worden, wenn er assistieren sollte, und dann meist, um irgendwo anders einzuspringen. Aber daß man ihm einen seiner eigenen Fälle auf Beard 5 wegnahm, war eine ganz neue Erfahrung.
    Bellows machte sich nicht die Mühe, seine Überraschung zu verbergen. Er dankte dem Mann und begab sich zu Chandlers

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