Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Koma

Koma

Titel: Koma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
Vom Netzwerk:
Büro.
    Der dienstälteste Oberarzt residierte in einem winzigen Gemach im zweiten Stock. Aus diesem fensterlosen Büroloch kam täglich die gesamte Operationsplanung. Chandler war verantwortlich für die Zeiteinteilung, Not- und Wochenenddienste eingeschlossen. Er regelte die Operationsfolge und die Assistenz, soweit benötigt.
    Auf Bellows’ Klopfen folgte ein gedämpftes »Herein«. Der Schreibtisch, hinter dem George Chandler saß, füllte fast den ganzen Raum aus. Chandler mußte sich an der Wand entlangdrücken, um an seinen Platz zu kommen. Vor dem Schreibtisch stand ein einzelner Holzstuhl. Der Raum war fast kahl, nur ein Mitteilungsbrett schmückte die Wand. Ausdruckslose Makellosigkeit war das Merkmal des Büros – und seines Insassen.
    Der Erste unter den Oberärzten hatte sich seine Position von ganz unten, aus den Niederungen der Studenten und Assistenzärzte, mühsam erkämpft. Nun saß er an der Nahtstelle zwischen dem Olymp der erhabenen Chirurgen und Spezialisten und der Welt der Bedeutungslosen. Er gehörte keiner der beiden Kasten an, und das machte seine Stärke aus, hatte ihn zugleich aber in die Isolation gedrängt. Die Jahre des Kampfes und des Wettbewerbs hatten ihren Tribut gefordert. Dabei war Chandler eigentlich noch ein junger Mann, ganze dreiunddreißig Jahre alt. Nicht sehr groß von Gestalt, trug er das Haar zu einer Art Cäsarenfrisur nach vorn gekämmt. Das plumpe Gesicht täuschte über sein reizbares Temperament hinweg. In mancher Hinsicht ähnelte Chandler einem emporgekommenen Laufburschen, den man in seiner Lehrzeit zu oft unterdrückt hatte.
    Bellows setzte sich ihm gegenüber auf den Holzstuhl. Zunächst sprach keiner. Chandler betrachtete den Bleistift in seiner Hand. Als Bellows eingetreten war, hatte er von seiner Arbeit aufgeblickt und sich mit seinem Stuhl gegen die Wand gelehnt.
    »Tut mir leid, Mark, daß ich Sie vom Operationsplan nehmen mußte«, sagte Chandler schließlich, ohne sein Gegenüber anzusehen.
    Bellows erwiderte betont neutral: »Auf ein paar Hämorrhoiden mehr oder weniger kommt’s mir nicht an.«
    Erneut entstand eine Pause. Chandler ließ seinen Stuhl wieder nach vorn kippen und sah Bellows an.
    »Mark, ich vermute, Ihnen ist es mit der Chirurgie Ernst. Mit der Chirurgie hier im Memorial, um genau zu sein.«
    »Davon können Sie ausgehen.«
    »Und nicht zu Unrecht, Ihre Laufbahn kann sich sehen lassen. Wenn ich offen sein soll: Ich habe Ihren Namen sogar mehrfach gehört, wenn es um Oberarzt-Positionen ging. Und das ist einer der Gründe, weshalb ich mit Ihnen reden wollte. Vor gar nicht langer Zeit hat mich Harris angerufen; er war völlig außer sich. Erst wußte ich nicht mal, was er wollte. Anscheinend schnüffelt einer von Ihren Studenten wegen der Koma-Fälle rum, und Harris ist stinkwütend. Wohlgemerkt, ich hab’ keine Ahnung, was wirklich los ist, aber er denkt offensichtlich, daß Sie dahinterstecken. Ich meine, daß Sie den Studenten darauf angesetzt haben und ihm helfen.«
    »Es handelt sich um eine ›sie‹.«
    »Er oder sie, ist mir scheißegal.«
    »Na ja, so egal ist das in diesem Fall nicht. Die Dame ist hervorragend gebaut. Und was meine angebliche Rolle in der Angelegenheit betrifft, kann ich nur sagen: Fehlanzeige! Wenn ich überhaupt damit zu tun habe, dann nur, indem ich ihr die ganze Sache dauernd auszureden versuche.«
    »Ich habe nicht vor, mit Ihnen zu streiten, Mark. Ich wollte Sie nur warnen. Mir täte es sehr leid, wenn Sie wegen irgendwelcher Studenten Ihre Oberarzt-Chancen aufs Spiel setzten.«
    Mark sah Chandler an und überlegte, was er wohl sagen würde, wenn er wüßte, daß er für denselben Abend eine private Verabredung mit Susan hatte.
    Chandler fuhr fort: »Ich hab’ keine Ahnung, ob Harris wegen der Sache zu Stark gegangen ist. Ich tu’s nicht, Mark, das verspreche ich Ihnen, jedenfalls so lange nicht, bis ich mich selbst absichern muß. Aber lassen Sie mich noch einmal ganz klipp und klar sagen: Harris war stinkwütend, und Sie sollten Ihre Studentin lieber an die Kandare nehmen und ihr sagen, sie solle sich gefälligst für was anderes interessieren. An dieser Sache arbeiten schließlich schon mindestens zehn Leute. Man kann fast sagen, daß Harris’ Abteilung mit nichts anderem mehr beschäftigt ist, seitdem wir diese Pechsträhne mit den komatösen Narkosefällen haben.«
    »Ich werd’ versuchen, es ihr beizubringen, aber ich fürchte, das ist leichter gesagt als getan. Das Mädchen hat einen

Weitere Kostenlose Bücher