Komm, dunkle Nacht
gegeben.«
»Und?«
»Es war wie ein Blick in die Hölle. Eine Gegend, von der man gern erzählen hört, wo man aber nicht leben möchte.«
»Sie brauchen nicht dort zu leben. Wer damit klarkommen muss, bin ich.«
»Nur, wenn Sie nicht …«
»Halten Sie den Mund. Ich bin todmüde und hätte weiß Gott was Besseres zu tun, als Sie und meine Freunde auseinander zu bringen, nur weil Sie zu stolz sind zuzugeben, dass Sie Schmerzen haben. Werden Sie sich jetzt hinlegen, so dass ich mich endlich ausruhen kann?«
»Kein Problem.« Er kam mühevoll auf die Füße und stand mit einer Hand auf die Sessellehne gestützt schwankend da. »Einen Moment, ich glaube, mein Bein ist eingeschlafen.«
Wahrscheinlich wollte er nur nicht zugeben, dass ihn der lange Weg den Gang hinunter schreckte. »Soll ich Ihnen helfen?«
Er zog eine Grimasse. »Sie lassen mir nichts durchgehen, was?«
»Stolz ist eine Dummheit, wenn man Schmerzen hat.«
»Zumindest kann man Ihnen nicht vorwerfen, dass Sie keine deutliche Sprache sprechen. Zwei Minuten. Wenn ich dann nicht laufen kann, können Sie mich mit Ihrem Feuerwehrgriff packen und zum Bett tragen. Inzwischen erzählen Sie mir, warum Sie Erdrutsche so schlimm finden.«
»Wie ich schon sagte, weil man kaum Überlebende findet. Bei einem Erdbeben stehen die Chancen viel besser, dass in Hohlräumen und Lufttaschen unter den Trümmern noch Verschüttete leben. Wer unter Schlamm begraben wird, erstickt.«
»Wie bei einer Schneelawine?«
Sie schüttelte den Kopf. »Im Schnee ist es leichter, er ist porös und somit geruchsdurchlässig. Schlamm dagegen versiegelt jeden Geruch. Die Hunde finden kaum eine Witterung.
Außerdem glauben sie, sie könnten auf dem Schlamm laufen, was oft katastrophale Folgen hat: Sie können im Schlamm versinken oder von einem neuen Erdrutsch davongetragen oder verschüttet werden, ohne dass man ihnen helfen kann. Man muss höllisch auf seinen Hund aufpassen.
Und man kann nicht allein losgehen, man braucht einen Beobachtungsposten, der Alarm schlägt, wenn ein Sucher in Gefahr gerät. Das kommt gar nicht selten vor. Es genügt, dass einem der Stiefel voll Schlamm läuft, das allein kann schon ein Todesurteil sein. Man muss ganz sichergehen, dass die Gummistiefel wirklich passen, und sie mit Klebeband versiegeln.
Zudem regnet es in Taiwan noch immer, und solange es nicht aufhört, können wir mit der Suche nicht anfangen, weil ständig mit neuen Erdbewegungen zu rechnen ist. Das heißt, man sitzt untätig herum, während einen die Verwandten der Opfer feindselig anstarren und verfluchen. Reicht das fürs Erste?«
»Scheiße.«
»Genau. Sind Sie sicher, dass Sie nicht an Bord des Flugzeugs bleiben wollen, statt mit ins Dorf zu kommen?«
»Sicher.« Sein Blick wanderte über die Passagiere seines Firmenjets. »Nette Menschen, aber sie müssen verrückt sein, sich so was zuzumuten. Ich fürchte, ich war ein bisschen neben der Rolle, als Sie uns bekannt gemacht haben. Erzählen Sie mir von Ihren Freunden.«
Ihr Blick folgte seinem. »Der Mann da in den Fünfzigern mit dem schwarzen Labrador ist Hans Kniper, er ist Tierarzt und Hundetrainer. Der kleine jüngere, der da am Fenster schläft, ist George Leonard. Er arbeitet in Tuscon in einem Supermarkt und trainiert an den Wochenenden Hunde. Mit unserem Teamführer Boyd Medford haben Sie sich ja schon unterhalten. Ihn kenne ich am besten. Er war bei der Hundestaffel der ATF, bevor er ausstieg und sich eine Ranch kaufte. Theo Randall ist der blonde Mann mit dem schwarz-beige gefleckten deutschen
Schäferhund. Er ist Buchhalter in einem Luxushotel. Susie ist Hausfrau, sie hat zwei Kinder und vier Schäferhunde.«
»Sie scheinen alle nicht viel gemeinsam zu haben.«
»Alle lieben Hunde und sind gewillt, sie zu Katastrophen-helfern auszubilden. Das ist Gemeinsamkeit genug.«
»Monty ist der einzige Golden Retriever. Drei Schäferhunde, zwei Labradors und Monty. Sind gewisse Rassen für diese Arbeit besser geeignet als andere?«
»Dazu würde wahrscheinlich jeder im Team eine andere Meinung vertreten. Im Grunde kommt es nur darauf an, dass der Hund intelligent ist, einen guten Suchinstinkt hat und eine gute Nase. Können Sie jetzt gehen?«
»Langsam.« Vorsichtig ging er den Gang hinunter.
»Sehr langsam. Gute Nacht, Sarah.«
Sie sah ihm nach, wie er zögernd einen Fuß vor den anderen setzte und Susies Hund Donegan auswich. Susie sah von ihrem Buch auf und er wechselte ein paar Worte mit ihr.
Leg dich hin, du
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